Eine mikroskopisch kleine Struktur wie ein Virus zeigt uns gerade, dass jedes Unternehmen seinen eigenen individuellen Weg durch diese – und andere – Krisen finden muss. Aber auch, dass insbesondere in unsicheren Zeiten viele Unternehmen Unterstützung suchen, um ihre Reaktionsgeschwindigkeit und Anpassungsfähigkeit zu fördern, indem sie agile Arbeitsmodelle implementieren und eine agile Transformation einleiten oder beschleunigen.
Was aber, wenn diese internen und externen Experten, z. B. Agile Management Consultants oder interne Agile Coaches, nun nur auf Distanz – remote – wirken können? Was gilt es bei der Zusammenarbeit zu beachten?
Die Beratung und Begleitung von Change auf Distanz sind in wesentlichen Punkten anders. Im ersten Teil dieser dreiteiligen Blogserie beginnen wir damit, worauf wir bei der Einführung neuer agiler Rollen und Verantwortlichkeiten auf Distanz achten müssen.
Wenn agile Arbeitsmodelle eingeführt werden, muss Klarheit zu den spezifischen Rollen (beispielsweise ScrumMaster und Product Owner) und den geteilten Verantwortlichkeiten geschaffen werden. Unserer Erfahrung nach funktionieren theoretische und praxisnahe Trainings auch remote oder sogar über Web-Tools ohne Präsenzeinheiten sehr gut. Dafür gibt es Online-Lernprogramme und Plattformen, die Arbeitsmodelle und Rollen auf eingängige Art und mit modernen Methoden erklären und vertiefen.
Eine größere Herausforderung im Remote-Kontext sind die praktische Umsetzung und das Hineinwachsen in neue agile Rollen, wie z. B. in die Rolle des Product Owners, ScrumMasters, Release-Train-Engineers, Chief Product Owners oder des DevTeams. Diese brauchen das Vormachen, Mitmachen und Nachmachen. Dafür sind interne und externe Beraterinnen und Berater normalerweise vor Ort und reflektieren und stärken die Mitarbeitenden in ihren Rollen ständig und unkompliziert im Training on the Job.
Im Remote-Modus besteht die Gefahr, dass dieser entscheidende Punkt der permanenten Reflexion, damit Mitarbeitende in ihre Rollen hineinwachsen können, untergeht. Damit das nicht passiert, ist es wichtig, dass die internen und externen Beraterinnen und Berater an möglichst vielen Videokonferenzen teilnehmen, 1:1-Gespräche führen und konsequent Reflexionstermine einplanen und einfordern.
Unser Tipp: Kurze Slots nach jedem Online-Meeting für Reflexionen einplanen.
Einige Leistungen, wie z. B. Feedback zur Rollenwahrnehmung, Meetingabläufe oder Priorisierungen, Nutzen der Taskboards können bei der Beratung vor Ort in einem einzigen Meeting zusammen in kurzen Impulsen behandelt werden, ohne dass der Fokus verloren geht. Aber Remote-Meetings sind schnell überladen und dadurch anstrengender.
Tipp: Anstatt also zusätzliche Themen in einem Meeting anzugehen, sollten mehrere kürzere Meetings abgehalten werden, um den Fokus nicht zu verlieren.
Deshalb brauchen wir für diese Beratungsleistungen mehr Zeit. Da Sie die internen und externen Beraterinnen und Berater nicht klonen können, brauchen Sie entweder mehr von ihnen, um in der gleichen Zeit dieselben Effekte zu erzielen, oder Sie setzen zügig Austauschforen auf, z. B. Communities of Practice, um die Lernenden in den gezielten Wissenstransfer zu bringen. Hier treffen die neuen Rolleninhaber und Rolleninhaberinnen aufeinander und tauschen Erkenntnisse, Erfahrungen und Wissen aus. Diese Communities of Practice wurden früher analog und spielerisch eingeführt, waren an die sozialen Netzwerke angelehnt und dienten primär der freiwilligen und eigeninitiierten Teilnahme an der lernenden Organisation. Nun helfen sie den fehlenden Agile Coach zu kompensieren, wenn sie schnell und regelmäßig ins virtuelle Arbeitsleben integriert werden.
Unterstützt werden die CoPs idealerweise durch professionelle Online-Moderatorinnen und Moderatoren, die neue Rolleninhaber unmittelbar in einen lernenden Austausch bringen. Dazu braucht die CoP eine Agenda. Ein „CoP-Owner“ erstellt die Agenda für die erste Durchführung und sammelt zum Abschluss eine Themenliste für nachfolgende Austausche ein. Damit erhebt er oder sie auch automatisch den Bedarf der Teilnehmenden für weitere Austausche. Es entsteht Sogwirkung und Verbindlichkeit.
Das Resultat sind geblockte Zeiten in den Kalendern jener Menschen im Unternehmen, die mutig und willens sind, die Transformation mit neuen Verantwortungen zu übernehmen und sich dafür Zeit einplanen, weil sie den Mehrwert für die Ausübung der eigenen neuen Rolle erkennen. Es wird Zeit eingeplant, zu reflektieren, sich unkompliziert über erfolgreiche Vorgehensweisen auszutauschen und sich den Rat von Gleichgesinnten einzuholen. Dieses Invest ist wichtig, um sich in Remote-Zeiten mit der neuen Arbeitsweise permanent auseinanderzusetzen.
Direkt nach Beginn der Transformation in einer großen deutschen Bank haben wir für Führungskräfte CoPs im Sechs-Wochen-Takt einberufen. Die anfängliche Agenda sah kurze inhaltliche Lerninputs und anschließende Diskussionen vor. Die CoP dauerte jeweils nicht länger als 60 Minuten.
Es war immer ein volles „Remote-Haus“, denn bereits nach der ersten Durchführung war klar, was sich die Teilnehmenden für das nächste Mal als Austausch unter Gleichgesinnten und Input wünschten. Die Agenda für das nächste Treffen wurde direkt geschrieben. In diesem Fall waren es Themen wie: Was ist überhaupt eine CoP? Wie führe ich in Remote-Zeiten und welche Herausforderungen habe ich? Wie passt unser aktuelles Zielsystem in die neue Arbeitsweise bzw. wie kann ich es adaptieren?
Die professionelle Moderation eines solchen Remote-Meetings hilft, damit jeder und jede Teilnehmende im Meeting eingebunden wird, sich aktiv beteiligen kann und mit einem produktiven Gefühl hinausgeht.
Unsere Tipps: Zielgruppenspezifische CoPs schnell in festem Takt einberufen, spannende Themen in einer Agenda vorab bekannt machen und Moderation, technische Unterstützung und die Vorbereitung sicherstellen.
In den nächsten Blogartikeln teilen wir unsere Erfahrungen mit dem Aufsetzen und Einführen neuer Meetingstrukturen und Artefakte (Handwerkszeug) sowie dem Umgang mit dem so wichtigen Kulturaspekt und den erforderlichen internen und externen Consulting-Skills. Was sind Ihre Erfahrungen in der Einführung oder Begleitung von Transformationen im Remote-Modus? Schreiben Sie uns gerne Ihre Gedanken.
1. Teil der Reihe: “Transformations-Beratung im Remote-Modus #1: neue Rollen & Verantwortlichkeiten vermitteln“
2. Teil: “Transformationsberatung im Remote-Modus #2: Meetingstrukturen einführen“
3. Teil: "Transformationsberatung im Remote-Modus #3: Artefakte einführen"
4. Teil: "Transformationsberatung im Remote-Modus #4: die Unternehmenskultur verstehen"
5. Teil: "Transformationsberatung im Remote-Modus #5: der perfekte Auftritt"