Viele Unternehmen stecken in einem grundlegenden Dilemma: Sie organisieren sich um Abteilungen, Funktionen oder Hierarchien – nicht um das Produkt. Das agile Manifesto formuliert es treffend: „Build projects around motivated individuals. Give them the environment and support they need, and trust them to get the job done.“
Doch in der Praxis hält sich kaum ein Unternehmen daran. Stattdessen bleibt das alte Denken bestehen: Menschen werden Aufgaben zugeordnet, anstatt dass sich Menschen ihre Aufgaben selbst zuweisen. Der Fokus liegt auf Struktur, nicht auf Produkt oder Wertschöpfung.
Doch was bedeutet es konkret, eine Organisation entlang des Produkts zu entwickeln? Es geht darum, Teams so aufzustellen, dass sie unabhängig und fokussiert an einer klaren Wertschöpfung arbeiten können. Drei entscheidende Faktoren behindern dies jedoch immer wieder:
Viele Unternehmen kämpfen mit einer Vielzahl paralleler Projekte, die Teams überlasten und fragmentieren. Selbst in agilen Organisationen zeigt sich dieses Problem: Scrum-Teams sollen sich auf ihre Aufgaben konzentrieren, müssen aber gleichzeitig Tagesgeschäft, Sonderprojekte und wechselnde Prioritäten bewältigen. Diese fehlende Fokussierung führt dazu, dass Teams ineffizient arbeiten, Abhängigkeiten entstehen und die eigentliche Wertschöpfung leidet.
Ein besonders prägendes Beispiel: Ein Unternehmen führte agile Methoden in der Hardwareentwicklung ein. Dennoch mussten Ingenieure weiterhin gleichzeitig an Projekten und ihrem Tagesgeschäft arbeiten. Die Begründung des „Agile Coach“ vor Ort? „Das geht nicht anders.“ Doch warum akzeptieren Unternehmen diesen Zustand als gegeben?
Viele Unternehmen versuchen, das Problem mit Portfolio-Management oder Frameworks wie SAFe zu lösen – doch das sind meist nur Symptome, keine Ursachenbekämpfung. Das eigentliche Problem ist: Es gibt keinen klaren Fokus. Zu viele Initiativen, zu viele Abhängigkeiten, zu wenig Klarheit. Statt von oben nach unten zu managen, sollte das Unternehmen seinem Diagnose-System – etwa Scrum – vertrauen und von unten nach oben darauf reagieren. Doch oft passiert genau das Gegenteil.
Ein weiteres Problem in vielen Organisationen ist eine dysfunktionale Führungskultur. Agilität verlangt eine andere Art von Führung: Product Owner, Scrum Master und Entwicklerteams sollen gemeinsam Verantwortung übernehmen. Der Product Owner definiert das „Warum“ und „Was“, der Scrum Master optimiert das System, und das Dev-Team bringt seine Expertise ein, um das bestmögliche Produkt zu entwickeln.
Doch die Realität sieht oft anders aus: Führungskräfte lagern Verantwortung an Scrum Master und Agile Coaches aus – ohne ihnen echte Entscheidungsbefugnis zu geben. Sie wollen sich nicht mit den Details der Produktentwicklung beschäftigen, aber dennoch über Lösungen bestimmen. Diese Art der Kontrolle widerspricht dem agilen Prinzip der Selbstorganisation und sorgt für Frustration.
Noch problematischer ist, dass viele Unternehmen agile Methoden einführen, aber ihre Führungskultur nicht anpassen. Entscheidungen werden übergangen, Teams fühlen sich nicht ernst genommen, Führungskräfte intervenieren willkürlich – das Ergebnis ist eine Kultur des Misstrauens. Scrum-Methoden machen dieses Verhalten gnadenlos sichtbar: Taskboards und Backlogs zeigen schonungslos, wo Priorisierungen fehlen und wo Führungskräfte ihrer Verantwortung nicht nachkommen.
Scrum, SAFe oder Flight Levels sind keine Allheilmittel. Viele Unternehmen setzen auf diese Methoden, ohne ihre Strukturen grundlegend zu verändern. Sie versuchen, durch Koordinierungsebenen oder OKRs wieder Kontrolle zu gewinnen, anstatt sich auf echte Agilität einzulassen.
Ein eindrucksvolles Beispiel: Eine Kundin aus einem großen Unternehmen sagte einmal: „Weniger als 18 Ziele pro Quartal? Das lässt unsere Organisation nicht zu.“ Ein klarer Beweis für fehlenden Fokus und falsche Priorisierung.
Wenn Unternehmen wirklich agil sein wollen, müssen sie sich an ihrem Produkt orientieren, nicht an Hierarchien oder Funktionen. Das bedeutet:
Agilität ist kein Buzzword, sondern ein radikaler Wandel in der Art, wie Unternehmen arbeiten. Wer diesen Schritt wagt, wird mit effizienteren, motivierteren und leistungsfähigeren Teams belohnt.
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