Vor einiger Zeit hatte ich ein Gespräch mit einem langjährigen Kunden, der mir überzeugt erklärte: „Boris, KI wird unsere Zusammenarbeit nicht verändern. Menschen bleiben
Menschen.“ Ich hörte aufmerksam zu und nickte höflich – doch blieb ich skeptisch. Der Zukunftsstratege in mir ist sich bereits sicher – der neue Kollge GenAI, wird uns neue Varianten der Teamzusammenarbeit bescheren. Tja – und inzwischen hat ein neues, umfangreiches Experiment bei Procter & Gamble (P&G) meine Zweifel bestätigt. Wir stehen definitiv vor einer tiefgreifenden Veränderung der Zusammenarbeit, und generative künstliche Intelligenz (GenAI) ist der zentrale Motor dieser Transformation.
In dem Working Paper (Dell’Acqua et al., 2025) dokumentieren die Autoren detailliert diese Entwicklung. 776 Mitarbeitenden bei P&G nahmen an einem Experiment teil. Die Frage war, wie GenAI die Leistungsfähigkeit, den Wissensaustausch und die soziale Dynamik innerhalb von Teams verändert. Die Ergebnisse machen klar: GenAI ist längst kein einfaches Werkzeug mehr – sie übernimmt zunehmend die Rolle eines echten kybernetischen Teamkollegen.
Das Konzept der Studie, war praxisnah: Mitarbeitende aus den Bereichen R&D und Commercial sollten reale Innovationsprobleme lösen. Manche arbeiteten allein, andere in Teams, einige mit GenAI-Unterstützung (GPT-4), andere ohne. Das Resultat dieser Studie liefert drei zentrale Einsichten:
Mitarbeitende, die mit GenAI arbeiteten, produzierten signifikant bessere Ergebnisse als jene ohne KI. Einzelpersonen, die KI-Unterstützung hatten, lieferten Lösungen, die mit den Leistungen von traditionellen Zweierteams ohne KI vergleichbar waren. Die Studie quantifizierte diesen Effekt eindeutig – wie ihr am besten selbst in der Studie nachlest.
Und die Studie bestätigt, was mir ein anderer Kollege, mit dem wir bald ein Webinar durchführen werden, erklärte: GenAI ermöglichte es Mitarbeitenden ohne tiefgehende Produktentwicklungserfahrung, hochqualifizierte Ideen vorzuschlagen, die traditionell von Expert:innen stammen würden. Sie können sich viel schneller in die Felder der Experten einarbeiten. Ohne KI blieben die Beiträge der Mitarbeiter:innen in ihrem scheinbar sicheren eigenen Wissensgebiet: Technische Mitarbeitende fokussierten auf technische Lösungen, kommerzielle Mitarbeitende auf Marketingaspekte. GenAI reduzierte diese Trennung erheblich.
Ein überraschender Nebeneffekt der Nutzung von KI war die Zunahme der Motivation und der Zufriedenheit bei den Mitarbeitenden. Das stellt eine völlig neue Facette der Zusammenarbeit mit KI dar – denn wie kann es sein, dass das Hinzunehmen der GenAI, die Motivation der Teammitglieder erhöht?
Die Erkenntnisse der Studie sind für uns Führungskräfte frappierend. Wir müssen offenbar wieder über Teamstrukturen und Managementmethoden nachdenken. Denn hatten wir gerade noch agile Teams und cross-funktionale und multi-disziplinäre Teams, haben wir jetzt auch noch diverse Teams und die sind dann auch noch mit GenAI enhanced.
Neue Teamstrukturen: Einzelpersonen, unterstützt durch GenAI, können ähnlich leistungsfähig sein wie kleine Teams ohne KI – denn plötzlich kann eine Person in einem Tag die Arbeit von mehreren Personen übernehmen. So kann mit Hilfe der KI, die Rolle des Analysten, des Designers, des Ideengebers und sogar des agilen Coaches übernommen oder verbessert werden. Es zeigt sich auch, dass Teams mit KI-Unterstützung besonders innovative Lösungen hervorbringen. Ich bin überzeugt, es wird sich in der Zukunft zeigen, wie sehr sich nun die Teamstrukturen noch einmal verändern werden.
Redefinition der Wissensorganisation: Die Grenzen zwischen Expert:innen und Generalisten verschwimmen zunehmend. Unternehmen sollten Strategien entwickeln, um diese Wissensintegration zu fördern und traditionelle Silos abzubauen. Hier wird sich meine These bestätigen, die KI wird uns dabei unterstützen viel mehr Daten zu bearbeiten und gleichzeitig wird sie uns dabei unterstützen unsere Arbeit besser zu machen, sie wird aber nicht unsere Arbeit übernehmen.
Doch die zentrale Veränderung: KI-Kompetenz ist eine zentrale Führungsaufgabe - KI-Kompetenz ist keine rein technische Herausforderung, sondern ein strategisches Führungsinstrument. Führungskräfte müssen aktiv befähigt werden, KI als festen Bestandteil ihrer Teamführung zu integrieren.
Für uns als Unternehmer:innen und Führungskräfte bedeutet dies:
· Experimente fördern: Lasst Teams frühzeitig und praxisnah mit KI experimentieren, um reale Erfahrungen zu sammeln.
· Neue Regeln definieren: Unternehmen müssen klären, wer Entscheidungen auf Basis von KI-Vorschlägen trifft und wie die Verantwortung verteilt wird.
· Emotionale Intelligenz stärken: Die emotionale Wirkung von KI ernst nehmen und Teams aktiv bei der Anpassung begleiten.
Ich bin sicher GenAI wird unser Verständnis von Teamwork und Expertise grundlegend verändern. Sie bringt neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit, Wissensintegration und emotionalen Unterstützung mit sich. Die zentrale Herausforderung besteht darin, KI nicht als bloßes Hilfsmittel zu betrachten, sondern als aktiven Mitgestalter der Zusammenarbeit zu begreifen und bewusst zu integrieren.
Es geht also nicht mehr nur darum, KI einzusetzen, sondern mit KI aktiv zusammenzuarbeiten und die Zukunft der Zusammenarbeit gemeinsam zu gestalten. Wenn ihr mit borisgloger up-to-date bleiben wollt, folgt uns auf LinkedIn und YouTube. Somit wisst ihr auch gleich, wenn unsere neue Webinar Reihe zum Thema “KI in der agilen Welt” live geht. In der Zwischenzeit laden wir euch auch herzlich dazu ein, durch die Wissensecke unserer Website zu stöbern. Viel Spaß wünscht euch Boris Gloger.
Quelle: Dell’Acqua, F. et al. (2025): The Cybernetic Teammate: A Field Experiment on Generative AI Reshaping Teamwork and Expertise. Working Paper 25-043, Harvard Business School.