Jahrelang habe ich, Boris Gloger, meine Trainingsorganisation darauf getrimmt, dass ich als Trainer ohne jegliches Material in einen Raum gehen und sofort loslegen kann. Ich dachte immer, das hätte etwas mit meiner Faulheit zu tun. Ich wollte keine Trainingsmaterialien, Folien, Spiele oder Checklisten mit mir herumschleppen. Ich wollte den Raum genauso verlassen, wie ich ihn betreten hatte. Ich bin mir sicher, dass alle meine Trainingsassistentinnen, die ich mit dieser Aufgabe verschlissen habe, mich dafür gehasst haben. Denn natürlich war ich extrem angefressen, wenn die Checklisten, Bücher oder Notizhefte nicht im Hotel angekommen waren.
Gleichzeitig bemerke ich bei mir eine tiefe Abneigung dagegen, Folien für meine Trainings vorzubereiten – und doch bewundere ich die Menschen, die wunderschöne Grafiken auf ihren Slides haben. Mein Marktbegleiter mit den definitiv schönsten Präsentationen arbeitet sogar mit Illustrationen. Die Flight Levels-Folien von Klaus Leopold sind zum Niederknien. Doch selbst, wenn ich mich hinsetze und meine eigenen Slides oder die Dramaturgie eines Trainings ausarbeite, fühle ich mich dabei gezwungen.
Heute Nacht – also vor fünf Stunden – habe ich, um besser abschalten zu können, ein Interview mit Keith Jarrett gesehen, einem der wohl begnadetsten Jazz-Improvisationspianisten.
Jarrett erklärt, dass er bei einem Konzert ans Klavier geht und sich selbst von der ersten Note an zuhört. Denn bevor er die erste Taste drückt, weiß er nicht, was er spielen wird – nicht einmal den ersten Ton. Wer die Geschichte des Köln Concerts kennt, das in diesem Frühjahr als Film in die Kinos kommen soll, weiß: 1975 spielte er in Köln auf einem defekten Steinway das berühmteste Jazz-Piano-Konzert der Geschichte. Nicht wiederholbar, denn das Piano war ja defekt.
Und genau das ist mein Anspruch an ein Trainingssetup: Es muss schon da sein, damit man improvisieren kann. Es war keine Faulheit – sondern das Bedürfnis in mir jedes Mal ein einzigartiges Training zu geben.
Denn darum geht es im Training – eine einmalige Erfahrung für die Trainingsteilnehmer:innen zu erzielen. Nicht nur ein Erlebnis, sondern eine Transformation im Denken, eine die dich aus einem Training als eine etwas andere Person herauskommen lässt, als du hineingegangen bist. Die 200 PowerPoint-Slides eines SAFe-Trainings oder die 220 Slides, die uns Ken Schwaber in Edinburgh 2003 in seinem Scrum-Training zeigte – sie sind es, die das Lernen in Trainings töten - und keine Veränderung bewirken. (Ken war übrigens ein Phänomen, er brauchte die Slides gar nicht.)
Im Interview betont Keith Jarrett, dass er mit dem Publikum gemeinsam zuhört. Er ist Pianist und Zuhörer gleichzeitig – und genau das ist meine Definition von Training und Vortrag. Wir Trainer reagieren auf die Impulse der Zuhörer:innen, passen unsere Sprache, Tonlage, Geschwindigkeit und Ausdrucksweise an. Manche können sogar den Slang der jeweiligen Gegend übernehmen, erzählen den passenden Witz oder gehen – so wie ich auf der Agile Graz 2025 – vollkommen im Moment auf und improvisieren. Während meines Workshops erwähnte ich dann Dinge wie Star Trek, Altered Carbon und viele andere assoziative Bilder, die erst durch die Interaktion entstanden. - und an die ich während der Vorbereitung des Trainings nicht gedacht hatte.
Hier liegt der wahre Zauber eines erfolgreichen Trainings. Jeder Trainer kennt den Aufbau eines Trainings, kennt die Elemente – so wie ein Musiker die Musiktheorie. Und doch liegt die Kunst in der Performance: Lebt der Trainer seine Inhalte oder spult er einfach nur sein Wissen ab?
Welche Trainings es bei borisgloger im Angebot für euch gibt? Schaut doch auf unserer Website vorbei oder meldet euch bei uns.