Spätestens ab Januar 2022 wird es zur handfesten Realität in Unternehmen: das Trendwort “Sustainability”. Denn ab dato gibt die Europäische Union einen festen Rahmen vor, um Kapitalströme in umweltfreundliche Bahnen zu lenken und das Wirtschaftsleben nachhaltiger zu gestalten. Und das ist nun endgültig und (ethisch) richtigerweise der zwanghafte Rahmen für anstehende Unternehmenstransformationen. Intrinsisch oder – wie durch die EU-Taxonomie – extrinsisch motivierte Transformationen sind das, was wir seit langer Zeit begleiten.
Der Druck durch die neuen Regularien ist als Rahmen vorgegeben: Haben Unternehmen bisher über ihre rein betriebswirtschaftlichen Einnahmen und Ausgaben der Bank Rechenschaft gegeben und daraufhin aufgrund der Einwertung der Bank, wie profitabel das Unternehmen ist, eine Kreditlinie zu bestimmten Konditionen bekommen, werden nun andere Weichen gestellt. Die zukünftige „Bonität“ sowohl für Kreditvergaben als auch für Investitionen wird dadurch bestimmt, wie Kreditinstitute und Investoren die Nachhaltigkeit des Wirtschaftens bewerten. Und das deshalb, weil die Investoren selber daran gemessen werden, wie deren Kredit- oder Anlageportfolio den Grundsätzen der Nachhaltigkeit entsprechen.
Die Grundlage der sogenannten EU-Taxonomie ist ein Klassifikationssystem: Es zeigt Unternehmen und Investoren auf, welche Geschäftsaktivitäten ökologisch nachhaltig sind. Dabei geht es um konkrete, messbare Maßnahmen, die zu den Klimazielen beitragen. Und immer, wenn etwas gezählt, gewogen oder gemessen wird, wird es zum Megatrend.
Eine Schlüsselrolle nehmen Banken und Investoren ein: Sie bewerten zukünftig ihr Kreditportfolio und ihre Anlagen neu. Damit haben sie einen unmittelbaren Einfluss auf nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten ihrer Kunden. Einzelne Nachhaltigkeits-Investmentfonds oder ETFs gab es zwar schon zuvor – bisher aber ohne staatliche und vereinheitlichte Vorgaben. Diese Lücke soll die Taxonomie schließen. Unternehmen, die im Kreditportfolio der Bank nachhaltiges Wirtschaften nicht belegen können, werden vermutlich zukünftig höhere Zinsen zahlen müssen oder sogar gar keine Kredite von Banken bekommen. Investmentfonds werden zukünftig keine Aktien mehr von nicht nachhaltig wirtschaftenden Unternehmen in ihr Portfolio nehmen. Die Taxonomie bezieht sich dabei auf mehr als 70 Einzelindustrien, die einen Beitrag zum Klimaschutz leisten können (Bauindustrie, Wasserversorgung, Transport und Elektrizität, um nur einige zu nennen).
Was bedeutet das nun konkret? Sowohl die Bankenbranche als auch die Industrie müssen ihre bisherigen und zukünftigen Geschäftsmodelle unter dem Fokus der Nachhaltigkeit stark hinterfragen und mehr noch: Konkret an die Taxonomie anpassen. Mit der Umstellung sind viele Fragen verbunden. Nachfolgend stelle ich die wichtigsten Punkte zusammen.
Die Taxonomie stützt sich auf sechs Umweltziele der EU:
Die Regularien für Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel stehen zunächst im Fokus und sollen schon ab Ende 2021 in vollem Umfang angewandt werden können. Für die übrigen vier Ziele soll die Taxonomie bis Ende 2021 zumindest vorliegen und ab Ende 2022 angewandt werden. (Quelle: Presseaussendung des Europäischen Rats.)
Die Klassifikation erfolgt nach einer Logik, deren Faktoren im Zusammenspiel bewertet werden:
So gibt es für jede Branche bereits oder zukünftig Orientierungsgrößen, die jedes Unternehmen für sich identifizieren muss.
Ein Beispiel aus der Immobilienbranche, weil es für jede:n Hauseigentümer:in am einfachsten nachvollziehbar ist, mag die Komplexität für Unternehmen darstellen (Quellen Passipedia, DGNB):
Fossile Ressourcen gehen zur Neige und deren Nutzung heizt den zivilisationsgefährdenden Treibhauseffekt an. Der vollständige einfache Austausch fossiler Energieträger durch erneuerbare scheidet aufgrund geringer Verfügbarkeit bzw. hoher Kosten aus. Komfortverzicht ist keine Option. So kann die Lösung nur in einer entscheidenden Steigerung der Energieeffizienz, verbunden mit der Nutzung erneuerbarer Energien zur Deckung des verbleibenden Energiebedarfes liegen. Dies hat die Europäische Union erkannt und mit einer Direktive als Gebäudestandard festgeschrieben (2010/31/EU (EPBD recast) Nearly Zero Energy Buildings (NZEB)).
Meine persönliche Anmerkung zur logisch erscheinenden Aufzählung: Wer bescheinigt wassersparende Armaturen und Einbauten? Wer kann nachvollziehen, dass Bau- und Abbruchsgefälle im Kreislauf geführt werden? Allein hieran wird deutlich, dass es nicht trivial ist, die Kriterien erfüllbar, messbar und z. B. für Geldgeber beurteilbar zu machen. Der Rahmen ist also da und Unternehmen müssen teilweise hypothesenbasiert schauen, dass sie sich diesem nähern. Ignorieren ist keine Option. Warten darauf, dass es konkreter wird, auch nicht!
Konkrete Rahmenbedingungen und Standards zur Erfüllung der Anforderungen an nachhaltiges Wirtschaften liegen bereits vor. Erfreulich ist, dass zunehmend nicht finanzielle Kennzahlen dabei an Relevanz gewinnen (z. B. soziale Kriterien). Die Standards ergeben z.B. sich aus:
Unternehmen können sich darüber hinaus eigene Standards setzen, um ihre eigene Mission zu erfüllen, in dem sie sich selber nach einem neuen Zweck ausrichten:
Die oben geschilderten, veränderten Rahmenbedingungen bedeuten für Unternehmen, dass sie sich fokussieren müssen, um entweder anzufangen oder den bereits eingeschlagenen Weg der Nachhaltigkeit weiterzugehen. Dabei brauchen sie auch die Unterstützung der Politik. Dieses Jahr ist ein Wahljahr, das wichtige Weichen für Unternehmen stellt. Jede Partei – wie auch jedes Unternehmen – setzt dabei andere Schwerpunkte. Vielleicht bedeutet das auch, Parteibücher im Wahljahr 2021 besonders und aus einer anderen Perspektive als bisher zu lesen, um entscheiden zu können, welche Partei zum jeweiligen Fokus der Nachhaltigkeit am ehesten vertritt.
Sie möchten Maßnahmen zur Nachhaltigkeit implementieren oder weiterentwickeln? Kontaktieren Sie uns gerne.
Titelbild: cottonbro, Pexels