Du bist agil. Du arbeitest daran, deine Nutzer:innen zu verstehen. Zu Beginn einer Produktentwicklung triffst du sie für ein Interview. Aber stellst du auch die richtigen Fragen? Mit diesem Guide erfährst du wirklich, was du wissen willst.
Nutzerzentrierte Entwicklung ist in vielen Unternehmen angekommen. Anstatt Produktentscheidungen aus dem Elfenbeinturm heraus zu treffen, gehen Entwicklungsteams auf ihre Nutzer:innen zu und versuchen, im persönlichen Kontakt mehr über ihre Bedürfnisse zu erfahren.
Da die meisten neuen Produkte nicht an den technischen Hürden scheitern, sondern an der fehlenden Nachfrage des Markts, kann dieser erste Schritt vor die Haustür über Wohl und Wehe des Produkts entscheiden.
Wer viel Zeit und Geld sparen will, stellt daher den Direktkontakt mit den Nutzer:innen ganz nach vorne in den Entwicklungsprozess, um herauszufinden, ob bei der Zielgruppe ein echter Bedarf besteht.
Doch gerade in diesem Schritt liegt ein besonderes Risiko, das den meisten Entwicklungsteams zur Fallgrube wird: Wer falsch fragt, bekommt auch die falschen Antworten.
Wenn du schon einmal eine der folgenden Fragen in einem Interview gestellt hast, bist du selbst schon einmal in diese Fallgrube getappt:
Denn all diese Fragen haben eine Sache gemeinsam: Sie sind hypothetisch. Der Gefragte muss sich eine Situation vorstellen und daraus auf sein Verhalten bzw. seine Vorlieben schließen. Aber darin sind wir Menschen nicht gut. Das Ergebnis ist also eine verbindlich klingende Falschauskunft – meistens zu positiv. Und das hat schon viele Product Owner dazu gebracht, in ein Produkt zu investieren, das letztlich keiner braucht.
Daumenregel: Stell keine hypothetischen Fragen!
Meine Empfehlung ist: Um Interviews zu führen, die echte Erkenntnisse bringen, solltest du radikal alle Fragen streichen, die auf eine hypothetische Situation abzielen. Du erkennst sie meist daran, dass sie einen Konjunktiv enthalten.
Ja, das Streichen dieser Fragen wird weh tun. Es scheint, als wäre die Frage dein einziger Zugang zu sehr wichtigen Informationen. Und besser, man hat eine vage Antwort als gar keine Antwort, richtig?
Falsch. Meiner Erfahrung nach richtet eine vage falsche Antwort sehr viel mehr Schaden an als eine nicht vorhandene, denn sie vermittelt eine Sicherheit, die es nicht gibt. Wer keine Antwort hat, geht vorsichtig vor. Wer eine möglicherweise falsche Antwort hat, verlässt sich auf diese, in der Hoffnung, damit richtig zu liegen.
Besser: Du fragst nach bereits erfolgtem Verhalten!
Wie geht es also besser? Wonach solltest du stattdessen fragen? Die Antwort lautet nach Verhalten, das tatsächlich bereits erfolgt ist.
Frag deine Nutzer:innen danach, wie sie sich in der Vergangenheit verhalten haben oder in der Gegenwart gerade verhalten. Je besser die Situation vergleichbar ist zu deiner Produktidee, desto mehr Vorhersagekraft hat diese Aussage. Frage sie, wie sie mit dem Problem gerade umgehen. Frage sie, was es sie kostet – monetär oder mental – das Problem noch nicht gelöst zu haben. Frage sie, wie sie an ähnliche Situationen herangegangen sind und was sie dort bezahlt haben. Und ganz wichtig: Frage sie, was sie aktuell unternehmen, um das Problem zu lösen!
Denn viel zu oft wird deine Zielgruppe in Interviews über ein Problem klagen, für das sie angeblich keine Lösung besitzt. Bei näherem Hinsehen stellt sich jedoch heraus: es gibt Lösungen, das Problem war den Nutzer:innen nur nicht wichtig genug, um nach diesen Lösungen zu suchen oder dafür zu bezahlen.
Wer einem solchen Pseudoproblem in die Falle tappt, verschwendet schnell viel Geld für eine unnötige Lösungsentwicklung.
Der Best Case: Deine Nutzer:innen haben einen Workaround entwickelt
Den Jackpot hast du dagegen getroffen, wenn deine Zielgruppe das Problem mit einem umständlichen Workaround löst. Denn nun weißt du: das Problem ist erstens relevant und zweitens aktuell nicht einfach lösbar. Hier hast du einen sehr guten Ansatz für ein neues Produkt!
So gehst du am besten vor:
Wie also solltest du an Nutzerinterviews herangehen?
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