Von Gastautor Aleksandar Jeremic
Das Bankgeschäft ohne persönliche Beratung? Früher undenkbar. Heute erbringen jedoch Challenger-Banken wie N26 und Penta online Bankdienstleistungen. Gleichzeitig liefern Unternehmen wie Check24 Nutzer:innen, die beispielsweise einen Kredit oder eine Versicherung benötigen, passgenaue Angebote – vornehmlich günstiger oder lukrativer. Diese neue Konkurrenz müssen Traditionsbanken nicht apokalyptisch fürchten. Sie können sich die Entwicklung auch zunutze machen. Denn nicht auf alle Bedürfnisse haben Challenger-Banken eine Antwort – etwa auf die Frage von Kund:innen, wie das Geld nachhaltig wirkt.
Der USP von Finanzinstituten liegt zwar noch immer auf einer fundierten Beratung zu Bankprodukten. Diese sind in der Regel aber austauschbar und neue Wettbewerber können schneller und schlanker agieren. Der Grund: Datenaffinen Fintechs fällt es mit ihrer Nischenspezialisierung und vereinfachten IT-Infrastruktur leicht, Kundenverhalten systematisch auszuwerten und zu analysieren. In der Folge kennen sie deren Bedürfnisse und bieten digital passendere Produkte und Lösungen an. Dies zu akzeptieren und daraus das eigene Geschäftsmodell abzuleiten, wird der Schlüssel für tradierte Unternehmen sein. Sie müssen unterscheiden, wo die eigene Leistungserbringung nachhaltig erforderlich ist und wo zukünftig besser auf ein Eco-System zurückgegriffen werden sollte.
Hinzu kommt, dass traditionelle Banken im Rahmen resoluter Sparmaßnahmen zunehmend Filialnetze ausdünnen, sodass die persönliche Beratung vor Ort nicht mehr gegeben ist. So plant etwa die Deutsche Bank, noch in diesem Jahr 100 der 500 eigenen Filialen in Deutschland zu schließen. Das Beratungsgeschäft als DNA der Banken ist damit massiv unter Druck geraten.
Darüber hinaus nutzen traditionelle Banken ihre breite Datenbasis nicht systematisch. Selbst automatisierte Geburtstagsgrüße sind oft eine Herausforderung. Die erforderliche Mustererkennung für eine tiefe Kundenkenntnis ist also nicht gegeben, sondern liegt aktuell in den Köpfen der Berater:innen, deren Stellen abgebaut werden.
Ein Ausweg aus dieser Misere ist ein neuer Beratungsansatz mit einem ausgeprägten Verständnis der Kundenbedürfnisse und einem daraus abgeleiteten Mehrwert. Ein Beispiel ist das Privatkundengeschäft. Eine Kontoanalyse weist auf wesentliche Lebensveränderungen hin, zu denen Berater:innen ihre Kund:innen proaktiv mit konkreten Handlungsempfehlungen, beispielsweise Abschluss einer Lebensversicherung oder einem Sparfonds kontaktieren können. Genau diese auf Basis von Kontotransaktionsdaten passgenaue Beratung erwarten Kund:innen, wie eine Studie des Versicherungstechnologieunternehmens Cover Genius belegt. Dabei erfolgt die Kontoanalyse selbstverständlich nur bei vorliegendem Einverständnis der Kund:innen. Sie müssen sich lediglich über die sichere PSD2-Schnittstelle in ihre Bankkonten einloggen.
Finanzinstitute können so ihre Stärken, das Fachwissen der Berater:innen und den persönlichen Kundenkontakt gezielt nutzen. Denn diese heben sie noch immer von neuen Konkurrenten ab. Was sie zusätzlich benötigen, ist intelligente Technologie, die Daten analysiert und Handlungspotenzial erkennt sowie aufzeigt. Dabei hilft ihnen die Kooperation mit Fintechs, die White-Labeling-Lösungen anbieten und so den Banken einen hohen Programmieraufwand nehmen. Diese Lösungen unterstützen sowohl bei der Finanzberatung von Neukund:innen als auch von Bestandskund:innen.
Die Berater:innen haben beispielsweise die Möglichkeit, zur Vorbereitung eines Kundentermins einfach den Link zum Cockpit per E-Mail an den oder die Kund:in zu verschicken und ihn oder sie zu bitten, einen digitalen Bedarfs-Check vorzunehmen. Diese Herangehensweise ist für beide Seiten vorteilhaft. Der Kunde kann sich das Heraussuchen von zig Unterlagen sparen und loggt sich lediglich über eine PSD2-Schnittstelle in seine Bankkonten ein. Unabhängig davon, bei welchem Anbieter sich diese befinden, analysiert künstliche Intelligenz in Sekundenschnelle alle relevanten Transaktionsdaten und übermittelt dem oder der Berater:in nach Zustimmung des oder der Kund:in die Ergebnisse. Auf einen Blick sind zum Beispiel folgende Informationen ersichtlich:
Berater:innen erhalten in kürzester Zeit eine ganzheitliche Sicht auf die Kund:innen und können direkt erkennen, welchen Bedarf sie haben – ob etwa eine Altersvorsorge fehlt oder sie aufgrund einer veränderten Lebenssituation andere Versicherungen benötigen. Ohne viel Aufwand in die Terminvorbereitung zu investieren und den Kund:innen Arbeit aufzubürden, finden die Berater:innen relevante Anknüpfungspunkte für das Gespräch, in dem sie mit ihren Stärken punkten und überzeugen können. Und: Für zentrale Kundenbedürfnisse der Zukunft werden solche partnerschaftlichen Analysetools einen echten Kundenmehrwert liefern und die Kundenberatung unterstützen – etwa bei der Frage, welche Auswirkungen das eigene Verhalten auf die Nachhaltigkeit hat.
Dieser Beitrag erscheint als erster Teil einer Serie unseres Partners fino.
Bei fino ist erschienen:
Tradierte Strukturen im Bankwesen: der schleichende Geschäftstod – von Ssonja Peter
Aleksandar Jeremic (hier sein Profil auf LinkedIn) ist gelernter Bankkaufmann. Nach seinem BWL-Studium zeichnete er in der Bankenbranche für diverse Großprojekte verantwortlich, so zum Beispiel für die Entwicklung von zukunftsweisenden Filialmodellen oder der Implementierung von agilen Arbeitsweisen. Aktuell verantwortet er als Geschäftsführer des Fintechs fino digital die Entwicklung und Vermarktung von Produktlösungen rund um das Thema Konto- und Datenanalyse sowie Finanztransaktionen wie dem digitalen Kontowechsel.