Es gibt für den Umgang mit Spannungsfeldern (siehe Teil 1) keine eindimensionalen Rezepte oder Bilderbuchlösungen. Jedes Dilemma, jede Spannungssituation ist spezifisch und beeinflusst von Kontextvariablen (aktuelle Unternehmenssituation, Führungskultur, Mitarbeiter, individuelle Muster und Prägungen etc.) und muss daher im Einzelfall konkret bearbeitet und entschieden werden. Die folgenden Tipps verstehen sich daher als Anstöße, sich auf die Spannungsfelder im Feld der Ziele und Werte einzulassen und sie aktiv zu bearbeiten und zu lösen.
- Gelassen bleiben: Führungskräfte sollten signalisieren und verdeutlichen, dass Spannungsfeldkonflikte (Ziele- und Wertekonflikte) Teil der Normalität sind. Sie liegen in der Komplexität der Management- und Führungssituation begründet und sind somit eine immanente Herausforderung. Auch wenn sie individuell erscheinen, haben sie nicht mit persönlichem Versagen zu tun, wenn Entscheidungen sich als dysfunktional herausstellen. Besser eine „falsche“ als keine Entscheidung. Das heißt auch offen bleiben für Zurücknahme und Modifikation.
- Abwägen und eruieren: Unterschiedliche, ambivalente Anforderungen schließen sich häufig nicht so grundsätzlich aus, wie es auf den ersten Blick scheint. Es geht häufig nicht um ein Entweder-oder, sondern um ein Sowohl-als–auch. Ein Kompromiss ist häufig eine überlegenswerte Alternative und macht handlungsfähig. Prinzipien sind wertvoll, können aber auch sehr hinderlich sein. Also zumindest hinterfragen.
- Situativ entscheiden: Management und Führung kann sich nicht permanent an vorgegebene Richtlinien und Regeln halten. Stattdessen muss immer wieder neu von Situation zu Situation entschieden werden, welcher Weg weiterführt und im Idealfall zum Erfolg führt. Flexibilität im Entscheiden ist heute eine zentrale Kompetenz im Führungsalltag. Routinen hinterfragen, das Gegenwärtige anerkennen und das Neue erwägen. Widersprüche aushalten und als Teil der Führungsrolle akzeptieren.
- Nach Alternativen suchen: Meist bieten sich auch für verfahrene Situationen mehr Lösungsmöglichkeiten an als zuerst angenommen. Innere Distanz zum jeweiligen Spannungsfeld zu nehmen und die Perspektiven zu wechseln führt zu möglichen dritten Lösungswegen. Von Situation zu Situation müssen ggf. gewohnte Handlungsmuster, Ideale, moralische Glaubenssätze in Frage gestellt und situativ modifiziert werden. Die Kunst dabei ist es, authentisch, klar und transparent zu bleiben.
- Sich Konflikten stellen: Manager und Führungskräfte können es nicht immer allen recht machen. Konfliktsituationen gehören zum Alltag. Werden Konflikte verdrängt, besteht die Gefahr von Eskalation. Konfliktmanagement ist eine genuine Führungsaufgabe immer dann, wenn Klima und vor allem Leistung gefährdet sind.
- Risiken eingehen: Jede echte Entscheidungssituation ist ein Konflikt, ist ein Risiko. Das heißt nichts anderes, als dass der Umgang mit dem Risiko und das Entscheiden trotz Risiken zu den grundlegendsten Aufgaben von Führung gehört. Risiken sollten minimiert werden, dort wo dies durch rationale Absicherung möglich ist. Sie können auf mehrere Schultern verteilt werden (Managementteam!) d.h. im Konsens erarbeitet werden, im Rahmen der Zeit die zur Verfügung steht. Letztlich muss der Feuerwehrmann ins brennende Haus, auch wenn es ein Risiko bedeutet. Er weiß dies und entscheidet sich, weil es zu seiner Funktion und Aufgabe gehört.
- Entscheidungen treffen: „Eine falsche Entscheidung ist meist besser als keine Entscheidung.“ Vom Management werden Entscheidungen erwartet, an der Entscheidungsfähigkeit wird u.a. ihre Kompetenz und Wirkung gemessen. Jeder Manager, jede Führungskraft trifft täglich eine Vielzahl von Entscheidungen. Die meisten sind Routine- und Standardentscheidungen und fallen eher leicht. Spannungsfeldentscheidungen stellen hohe Anforderungen an Willen und Kompetenz bezüglich der Entscheidungspraxis. Sich mit den eigenen Entscheidungsmustern auseinanderzusetzen und sie zu optimieren, gehört zu den zentralen Elementen des Berufes Management und Führung (siehe unten)
- Sich austauschen: Führungskräfte tendieren aus verschiedenen Gründen dazu, Probleme und Spanungssituationen mit sich alleine auszumachen. Jedoch verhindert die „einsame“ Entscheidung häufig den Blick auf neuen Lösungen und macht es schwierig, Situationen realistisch und distanziert einzuschätzen. Kollegiale Beratung kann hier Abhilfe schaffen und wertvolle Unterstützung in Problemsituationen sein. Führungsarbeit wird ohnehin zwangsläufig immer mehr zur kollegialen und kooperativen Teamarbeit. Auch Rat von loyalen und kompetenten Mitarbeitern oder Freunden kann sehr wirkungsvoll sein.
- Professionelle Unterstützung suchen: Das Beratungsmodell Coaching bietet Managern eine wirkungsvolle Möglichkeit, mit Spannungsfeldern umzugehen. Im vertraulichen Rahmen von Coachingsitzungen können die unterschiedlichsten Elemente schwieriger, auch spezifisch persönlicher Themen intensiv und ergebnisorientiert bearbeitet werden. Auch für „echte“ Dilemmata können so Anstöße für Entscheidungen und Handlungsmöglichkeiten gewonnen werden.
- Mut zum eigenen Weg haben: Die unterschiedlichen, sich oft widersprechenden Ausgangslagen erfordern Mut, eigene Wege zu finden, zu kommunizieren und zu vertreten. Führungskräfte müssen auch anecken, herausfordern, sich durchsetzen. Führung hat systemisch gesehen Vorrang im Sinn höherer Verantwortung und somit die Legitimation für „nicht entscheidbare Entscheidungen“.