Führung und Management in Spannungsfeldern (Teil 1)

Im Management- und Führungshandeln gibt es Spannungsfelder und Dilemmata, die im Führungskontext eine wesentliche Herausforderung sind. Im Zeichen ständig wachsender Komplexität und Agilität im Umgang mit Werten, Zielen, Strategien, Information, Mitarbeitern, Kunden, Technologien etc., werden Entscheidungen und Handlungen erforderlich, die in ihrer Ausgangslage vielschichtig und zum Teil hoch widersprüchlich erscheinen. Reinhard K. Sprenger spricht von einer „Überfülle der Möglichkeiten“ (Reinhard K. Sprenger „Radikal Führen“ Campus Verlag, 2012). Unterscheiden muss man zwischen alltäglichen Widersprüchen, die situativ gelöst werden müssen und Spannungsfeldern, die sich grundsätzlich auf der Ebene von Zielen und Werten bewegen. Von einigen dieser Herausforderungen für Führung soll hier die Rede sein.„Führung wird erst dann wertvoll, wenn Routinen versagen.“ (Reinhard K. Sprenger)

Spannungsfelder in Ziel- und Wertekonflikten

Kontrolle versus Vertrauen

Vertrauen in die Mitarbeiter ist ein wesentliches Element von Beziehungsmanagement und hat großen Einfluss z.B. auf Motivation der Mitarbeiter, ihr Engagement und ihren Willen zur Mitgestaltung. Damit sich Vertrauen als Basis für Selbstorganisation aufbaut und entwickelt, braucht man Zeit und ggf. einen „Vorschuss“ zur Erprobung. Vertrauen beinhaltet immer auch das Risiko. Zur Prozess- und Ergebnissicherung scheint Kontrolle ein unverzichtbares Element sozialer Leistungssysteme zu sein. Kontrolle konterkariert aber evtl. Vertrauen und kann Misstrauen signalisieren.Wo liegt das richtig Maß, wo die Balance?

Qualität/Kundenorientierung versus Kosten

Qualität ist eine zentrale Forderung kundenorientierter Unternehmen. Qualität kostet Geld und braucht Zeit. Kostenmanagement ist ein wesentlicher Faktor für die Zukunftssicherung von Unternehmen und zeigt Grenzen von Qualitätssicherung auf, die häufig einen kostenintensiven Aufwand bedeutet.Was hat Vorrang?

Individualität/Konkurrenz versus Kooperation/Kollektiv

„Konkurrenz belebt das Geschäft“. Wettbewerb fördert Motivation und Leistung und zeigt wichtige Unterschiede für die Leistungsbeurteilung von Mitarbeitern auf. Interne Konkurrenz macht stark gegen externe Konkurrenz, der sich jedes Unternehmen stellen muss. Ohne Kooperation zwischen Mitarbeitern und Teilsystemen sind viele Unternehmensleistungen nicht mehr effektiv zu erbringen. Projektarbeit, team- und selbstorganisierte Gruppenarbeit basiert auf Kooperation und Dialog, bezieht daraus ihre Synergieeffekte. Jedoch, ein Team besteht aus eigenständigen Individuen, die ihre Interessen, Bedürfnisse berücksichtigt sehen wollen.Wann soll man Konkurrenz zulassen, wann und wie Kooperation nutzen, fördern?

Ehrlichkeit versus Taktik

Ehrlichkeit ist ein soziales Phänomen, das für viele Menschen eine hohe moralische Bedeutung hat. Ehrlichkeit wird von unten nach oben und von oben nach unten erwartet. Ehrlichkeit schafft Vertrauen und Glaubwürdigkeit, sie macht authentisch. Taktik ist ein rationales Instrument des Handelns, das abwägt, Funktionalität prüft und entscheidet, was wann, bezogen auf wen transparent werden soll. Taktik entscheidet wenig moralisch, ergebnis- und zielorientiert. Taktik erscheint oft als unumgänglich, obwohl sie in gewissem Maße gegen Ehrlichkeit steht.Wie viel Taktik, wie viel Ehrlichkeit, Ehrlichkeit total?

Veränderung/Innovation versus Stabilität

Das einzige Stabile ist die Veränderung. Veränderung ist ein wesentliches Kennzeichen unseres Zeitalters. Veränderungen bringen Weiterentwicklung, Chancen bergen aber auch Risiken. Veränderungen sind Herausforderungen und bedeuten Instabilität, Unruhe, Anstrengungen, immer neues Lernen, sich ein- und umstellen etc. Stabilität ist Ruhe, Entspannung Sicherheit. Routine bedeutet möglicherweise aber auch Stillstand, das Nachsehen haben, abgehängt werden. Stabilität bedeutet Risiko.Wo ist das Maß, was ist notwendig, was ist schützens- und bewahrenswert?

Macht versus Beteiligung/Selbstorganisation

Macht heißt individuelle Stärke, heißt sich und seine Meinung, seine Optionen und Entscheidungen durchsetzen zu können. Macht heißt oben sein, aber auch einsam sein. Macht bedeutet, sich in Szene setzten und allein wirken. Beteiligung bedeutet zu allererst teilen. Beteiligung heißt Macht abgeben, andere einbeziehen, viele (alle?) mitreden lassen. Beteiligung heißt viele und vielseitige Kompetenzen nutzen, kollektive Ideen entwickeln, Motivation und Umsetzungsengagement aufbauen. Selbstorganisation schafft Motivation.Auf die eigene Macht bauen oder die Mitarbeiter einbeziehen, in welchem Maße, mit welchen Konsequenzen?

Konflikt versus Harmonie

Konflikte gefährden soziale Beziehungen, binden Energien, blockieren Leistungen und Synergie. Sie sind schwer zu handhaben, haben die Tendenz zu Eskalation und sind zerstörerisch. Konflikte sind nicht immer vermeidbar, klären Positionen, reinigen die Luft und bieten Chancen für Entwicklung. Harmonie sorgt für Ruhe und positive Kontakte, ermöglicht entspanntes Arbeiten und schützt vor Verletzung und Kränkungen.Wann eingreifen, wie reagieren, wann schützen, wann Klartext reden?

Routinen/Regeln versus Kreativität/Abweichung

Routinen und Regeln geben Stabilität, Sicherheit und sollen Komplexität reduzieren. Sie schaffen überschaubare Gemeinsamkeiten, Kontinuität und Zuverlässigkeit. Sie bedeuten aber auch mangelnde Flexibilität, setzen enge Grenzen. Kreativität und Mut zur Abweichung ermöglichen neue Impulse, schaffen neue Wege und Lösungen, führen über Irritation zur Innovation.Wo das Gewohnte, wo das Neue, wohin führen Regelverstöße, wo braucht es Grenzen und Möglichkeiten?Sich diesen Herausforderungen und Spannungsfeldern zu stellen, sie sich grundsätzlich und situativ bewusst zu machen, ist ein zentrales Element des Managens und Führens. Entscheidungen in Spannungsfeldern zu treffen, obwohl die Situation eigentlich nicht entscheidbar ist und keine rational sichere Lösung machbar erscheint, ist ein wesentliches Element, das Hierarchie und damit Management und Führung legitimiert und notwendig macht. Lösungsideen und Tipps demnächst in Teil 2!

Agile Toolbox
Scrum
ScrumMaster-Praxistipps
bgloger-redakteur
March 4, 2013

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