Bund, Länder und Kommunen haben sich bereits an einigen Aspekten des E-Governments versucht. Und doch wird Deutschland in allen einschlägigen internationalen Rankings im regelmäßig auf die hintersten Ränge verwiesen. Was passiert da?Selbst Nicht-Experten fallen wahrscheinlich die folgenden Projekte ein: DeMail, eAusweis mit elektronischer Signatur oder die beliebten Behördenportale wie ServiceBW in Baden-Württemberg. Auch verwaltungsinterne Projekte wie die eAkten-Einführung kommen nicht wirklich voran, obwohl sie seit Jahren auf der Agenda stehen. Sie alle sind als Ankündigungstiger gestartet und drohen als Bettvorleger zu enden. Aus meiner Sicht kranken diese Projekte daran, dass sie eines nicht sind: anwenderorientiert und kundenfokussiert.Im ganzen Entwicklungsprozess beziehen sie selten bis gar nicht die Sicht der Anwender mit ein. Sie bleiben außen vor und spielen keine Rolle. Und daher werden Schwachstellen und Denkfehler auch erst dann sichtbar, wenn die Umsetzung abgeschlossen ist und das Angebot nicht angenommen wird.
Zwei Beispiele aus der Praxis zeigen das Dilemma treffend auf: Ein bayrischer Landkreis hat sich auf die Fahnen geschrieben, die Kfz-Abmeldung online abzuwickeln. Sehr gute Idee, denn die Warteschlangen in den Kfz-Zulassungsstellen sind immer recht lang, auch wenn man einen Termin vereinbart hat. Mit Engagement und viel Einsatz wurde der Prozess digitalisiert. Doch am Ende wunderte man sich im Landratsamt, warum gerade mal ein Prozent der Bürger die Möglichkeit nutzt und die restlichen 99 Prozent lieber weiterhin in der Warteschlange am Schalter stehen.Die Antwort ist einfach: Bei der Umsetzung hatten die Projektentwickler zwar - vorbildlicherweise - immer die Rechtssicherheit und den Datenschutz im Fokus, aber nie die Anwender mit ihren Bedürfnissen. Sie saßen nicht mit am Tisch, sie konnten kein Feedback geben. Heraus kam ein rechtssicherer, wasserdichter digitalisierter Verwaltungsprozess, der vom Anwender verlangte, zig Zahlencodes auf seinen Fahrzeugpapieren freizurubbeln und mehrfach in den PC zu tippen. Statt den Weg zu vereinfachen, wurden zusätzliche Hürden geschaffen. Das wäre vermeidbar gewesen, hätte man die Anwender frühzeitig eingebunden.
Ein weiteres Beispiel erreichte mich dieser Tage auf Twitter. Da erzählte mir ein Twitterati, dass er – nur um eine Adressänderung zu übermitteln – telefonisch einen Zahlencode beim Bezirksamt anfordern musste, der ihm per Post zugeschickt wurde. Erst danach konnte er die Adresse über das Internet übermitteln und bestätigen. Ja, richtig gelesen. Er musste allen Ernstes telefonisch einen Code anfordern, der ihm in Papierform zugeschickt wurde, damit er die Adresse über ein Internetportal weiterleiten konnte. Ähnlich verhält es sich oft mit Digitalisierungsprojekten, die verwaltungsintern ausgerichtet sind. Die berühmte eAkte ist so ein Beispiel. Die potenziellen Fachanwender werden im Entwicklungsprozess selten gefragt, was sinnvoll ist und was nicht, wie er oder sie arbeitet, welche Arbeitsschritte stattfinden. Die Entscheidungen werden in Gremien getroffen, in denen kaum tatsächliche Endanwender sitzen, sondern Fachvorgesetzte, deren Aufgaben wenig Berührungspunkte mit der alltäglichen Arbeit aufweisen.
Diese Beobachtung verleitet mich dazu, folgende Thesen in Bezug auf das Thema Digitalisierung und E-Government in Deutschland aufzustellen:
Die Geisteshaltung des agilen Manifests und die Anwendung der entsprechenden Methoden können zwar keine Wunder bewirken, aber sie können dazu beitragen, dass E-Government-Projekte erfolgreicher werden.Foto: CC0 Creative Commons - pixabay, Alexas_Fotos