„Wir wollen agil werden“ – so oder so ähnlich lautet die Maßgabe in vielen Unternehmen. Bei der Einführung von Scrum braucht es dazu unterschiedliche Rollen wie den ScrumMaster und Product Owner. Den Führungskräften ist oft schon im Vorfeld klar, wer diese Rollen im späteren Verlauf ausführen soll. Dabei vergisst man aber häufig, auch das Team zu fragen, wen es in dieser Rolle sieht. Aufgrund hierarchischer Machtverhältnisse und Weisungsbefugnissen werden neue Rollen einfach zugewiesen, ohne auf die Anforderungen und Befähigung der Erwählten einzugehen. Auch wie die Bedingungen innerhalb des Teams aufgestellt sind, spielt tendenziell eine eher untergeordnete Rolle.Aber wie kann man das besser machen? Meiner Meinung nach ist zunächst die Unterscheidung von Macht und Status essenziell für die Etablierung und Akzeptanz der neu geschaffenen Rollen. Denn Macht bekommt man manchmal geschenkt, Status muss man sich erarbeiten.
Sozialer Status zeichnet sich durch Respekt und Wertschätzung aus, die einer Person von anderen entgegengebracht werden. Er entsteht somit durch die Beurteilung von Außenstehenden und bezieht sich auf den Wert, den sich eine Person in einem sozialen System erarbeitet hat. In weiterer Folge heißt das, dass man sich Status nicht selbst verleihen kann, sondern das soziale Umfeld diesen zuschreibt.Genau darin unterscheidet sich der Status auch im Wesentlichen von der Macht. Sie kennzeichnet sich vor allem durch die Fähigkeit, eigene Interessen durchzusetzen, auch wenn das Umfeld anderer Meinung ist. Die Art und Weise, wie Macht schließlich ausgeübt wird, kann dabei völlig unterschiedlich sein – sei es durch den alleinigen Zugang zu Wissen oder durch eine höhere soziale Stellung.Aus diesen unterschiedlichen Konzepten von Status und Macht lassen sich allgemein drei mögliche Szenarien ableiten:
Übertragen auf die Besetzung eines ScrumMasters können sich folgende Szenarien ergeben:
Um in dieser Rolle im agilen Umfeld tatsächlich wirksam werden zu können, braucht es sowohl Macht wie auch Status. Szenario 3 stellt für mich daher die optimale Ausprägung dar.
Zur Förderung dieser Entscheidung aus dem Team heraus hat sich folgende Herangehensweise als praktikabel erwiesen:
Festzuhalten bleibt: An vielen Stellen bedarf es keiner klassischen Rollenbesetzung, da die Teammitglieder durchaus in der Lage sind, eine objektive Aussage darüber zu treffen, wer die beste Rollenpassung aufweist. Und wem ich das Vertrauen schenke, die Rolle auszufüllen. In der Praxis sieht das oft aber leider noch ganz anders aus. Beim Entscheidungsverhalten wie auch bei der Rollenfindung hält man noch stark am klassischen Verständnis fest und schreibt die Verantwortung für diese Bereiche einer hierarchisch vorgesetzten Person zu. Meiner Meinung nach sollte sich das Verständnis wandeln, um mit der sich verändernden Arbeitswelt Schritt halten zu können.
Pfläging¹ zeigte auf, dass man viel schneller auf die Marktbedürfnisse reagieren kann, wenn die Entscheidungsmacht aus dem Zentrum in die Peripherie, also an die marktnächste Instanz gegeben wird, wo die entsprechenden Informationen vorhanden sind. Äquivalent dazu sollte es sich mit der Rollenfindung verhalten – nur eben in die andere Richtung. Die Information bzw. das Wissen liegen hierbei im Kern, also im Team. Dementsprechend sinnvoller ist es, dass auch das Team die Rollenfindung innehat.Literaturhinweis:¹Nils Pfläging: Komplexithoden: Clevere Wege zur (Wieder)Belebung von Unternehmen und Arbeit in Komplexität. Redline Verlag 2015.