Als ich in den letzten Wochen in Gesprächen von meinem Job erzählte, drehten sich irgendwann alle um das Thema Veränderungen im Allgemeinen und Übernahme von Verantwortung im Speziellen. Es fielen die typischen Sätze wie „Das geht bei uns aber nicht“, „Meine Leute kriegen das nicht hin“, „Das ist echt so anstrengend“ oder auch „Ist es das denn wert? Geht doch auch so“.Tut es das? Aus dem systemischen Coaching mag ich folgende Frage sehr: „Was passiert, wenn nichts passiert?“ Wenn wir aufhören, uns zu verändern. Geht das überhaupt? Und wie geht das eigentlich genau mit der Veränderung – kann man das lernen? Meine bisherigen Erfahrungen zeigen, dass es dabei nicht um die Methode – zum Beispiel um Scrum oder Kanban – geht. Die Prozesse sind klar, sind erprobt und funktionieren. Ist es also der menschliche Faktor, der Veränderungen ermöglichen oder verhindern kann?Im agilen Kontext werden drei Faktoren beschrieben, die in meinen Augen nicht nur auf Mitarbeiter, sondern auch wunderbar auf „den Menschen in Gänze“ anwendbar sind: Dürfen. Wollen. Können.
Diese drei Faktoren bedingen sich gegenseitig. Wenn der Mensch nicht will, bringt es nichts, wenn er könnte oder sogar darf. Wenn er nicht darf, bringt es nur Frust, wenn er wollte und könnte. By the way: Natürlich muss man längst nicht alles wollen, was man kann.In lang gelebten und erlernten Strukturen ist womöglich jedoch die Erlaubnis „von oben“, aus der Chefetage heraus, eine der Voraussetzungen für die Umsetzung von Veränderungen beim einzelnen Mitarbeiter. Denn: das Wollen kann über das Dürfen gefördert werden, davon bin ich überzeugt. Erst langsam und zaghaft, ähnlich einem scheuen Wesen, das noch nicht weiß, welche Gefahren vielleicht in dem Raum lauern, der sich da plötzlich auftut. Ich durfte mehrfach erleben, wie sehr Mitarbeiter aufblühen, wenn sie sich ausprobieren und Verantwortung übernehmen dürfen, ohne Angst vor etwaigen Folgen haben zu müssen, wenn etwas schiefgeht. Das ist für eine Führungskraft ein tolles Erlebnis.Was bräuchte es dafür also konkret?
Es braucht Führungskräfte, die sich selbst hinterfragen und hinterfragen lassen. Die ihre Mitarbeiter nicht als Erfüllungsgehilfen für den nächsten Bonus sehen, sondern als Mitstreiter an ihrer Seite auf dem Weg zum zufriedenen Kunden, einem erfolgreichen Projekt oder Produkt. Ein Mensch, der anderen Menschen etwas zutraut und ihnen erlaubt, selbst zu denken und zu handeln.Jemand, der Vertrauen in sich selbst und seine Mitstreiter hat und loslassen kann. Eine Chefetage, die Fehler erlaubt und sie sogar begrüßt, denn durch Fehler generiert man im Mindesten neues Wissen, wenn nicht sogar neue Ideen und Produkte. Eine Führungskraft, die ihre Mitarbeiter und deren Erfolge feiert und wahrnimmt. Die ein positives Menschenbild hat und bereit ist, Wissen zu teilen, Fehler zu verzeihen, Mut zu fördern und Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen all dies möglich sein kann.Aber: Führungskräfte sind tatsächlich auch nur Menschen, die den gleichen inneren und äußeren Herausforderungen gegenüberstehen wie jeder andere auch. Das vergessen wir nur manchmal gern und erwarten, dass sie alles sofort richtig machen. Auch für sie sollte also gelten: Fehlermachen ist erlaubt und gewünscht.
Wenn die Führungsebene die ehrlich gemeinte Einladung zur Veränderung ausspricht, dann braucht es den Willen der Mitarbeiter, diese Einladung auch anzunehmen. Auch hier sind Selbstreflexion, Veränderungsbereitschaft und Mut nötig. Es hilft immens, wenn die Mitarbeiter sich selbst, ihre Kompetenzen und Fähigkeiten kennen oder kennenlernen wollen. Sich selbst Fehler zu erlauben, ist manchmal gar nicht so einfach. Aber mit der Zeit kann man das lernen. Mitarbeiter sollten neugierig sein und Lust haben, Dinge auszuprobieren. Auch sie sollten bereit sein, ihr Menschenbild zu überprüfen und den Führungskräften die Chance und Zeit zur Veränderung geben. Das bedeutet also nicht nur Nachsicht mit sich selbst bei Rückschlägen, sondern auch mit den Kolleginnen und Kollegen aus anderen Abteilungen und/oder Hierarchien.
Der Faktor des Könnens ist wohl derjenige, der am ehesten über Trainings, Weiterbildungen und Kompetenzentwicklung veränderbar ist. Hier kann und darf die HR-Abteilung zeigen, was sie draufhat und die Mitarbeiter in ein neues miteinander Arbeiten begleiten. Fachliches Know-how über Veränderungsprozesse und verschiedene Methoden, Coachings durch die Führungskraft oder einen „agile Coach“, das Schaffen von Räumen und Rahmenbedingungen, um die neuen Erkenntnisse zu testen, sind hier nur einige Dinge, die es braucht, um die Kunst der Veränderung zu lernen. Neben der Unterstützung durch HR und andere Formate müssen Mitarbeiter und Führungskräfte sich jedoch auch selbst um ihre Weiterbildung kümmern wollen.„Eine schlechte Angewohnheit kann man nicht einfach aus dem Fenster schmeißen. Man muss sie Stufe für Stufe aus dem Haus begleiten“, habe ich irgendwo gelesen. Und ich kann aus eigener Erfahrung sagen: Die wehren sich. Die einen mehr, die anderen weniger. Aber alle tun es. Es dauert, macht definitiv nicht nur Spaß, kann und darf zwischendurch wehtun. Vielleicht wie bei einem Training für einen Marathon? Aber: Es darf Spaß machen und manche Angewohnheiten hüpfen die Treppen freiwillig runter, sobald Sie sich die Erlaubnis gegeben haben, die Tür aufzumachen. Und gegen den Schmerz helfen die kleinen Erfolge, die sich recht schnell einstellen.Klar ist: Es erfordert großen Mut von allen Beteiligten, sich auf dieses Wagnis der Veränderung einzulassen. Einen Vorschuss an Vertrauen und das Verlernen der gemeinsamen Vorgeschichte sowie der Denkweisen, an die man sich so schön gewöhnt hat. Das Unbekannte und Neue macht erstmal Unsicherheit und Angst. Und das geht allen so, egal, ob Sie Chef sind oder nicht.Ich wünsche Ihnen viel Erfolg, Durchhaltevermögen und auch Spaß daran und ziehe meinen Hut vor allen, die allein schon darüber nachdenken, sich auf diesen Weg zu machen.