Wenn ich mit Scrum-Teams im skalierten Umfeld arbeite, ist eine meiner ersten Fragen immer: „Für wen tut ihr das?“
Insbesondere im skalierten Umfeld, wenn mehrere Teams an einem Produkt arbeiten, habe ich öfters beobachtet, dass von einer zentralen Abteilung (oft Marketing) Beschreibungen von Endnutzer:innen für das Gesamtprodukt in Form von Personas vorgegeben werden. Das ist grundsätzlich gut, außer wenn die einzelnen Modulteams, die an dem Gesamtprodukt arbeiten, diese sehr generische Persona-Beschreibungen einfach übernehmen, ohne sie zu reflektieren und für ihr Teilprodukt zu adaptieren. Die Folge: Teams setzen sich nicht mit ihrem User auseinander und entwickeln an ihm vorbei.
Ich merke es an mehreren Stellen, wenn Teams sich nicht mit ihren Usern auseinandergesetzt haben: vor allem daran, dass die User Storys generisch geschrieben sind. Sie beginnen z. B. mit "Als Benutzer...", „Als Anwender“ usw. anstatt mit einer konkreten Persona. Mit "Maria möchte..." wird aus einer abstrakten User Story etwas Personenbezogenes. Der Bezug zu den Personas erleichtert uns die Suche nach guten Gründen, warum wir für die Persona ein Produkt entwickeln (Zitat: "Möchte Maria das wirklich?").
Natürlich gibt es auch noch andere Hinweise darauf, dass die Teams sich noch nicht ausreichend mit ihrem User auseinandergesetzt haben, z. B. wird seine Perspektive nicht in der Review betrachtet. Es wird dann nicht gefragt: „Was haben wir in diesem Sprint für die Persona gemacht?“, sondern über Arbeitsschritte gesprochen. Jedoch interessiert das den User am Ende gar nicht. Letztendlich möchte er oder sie Funktionalitäten haben, die seine oder ihre Bedürfnisse befriedigen. Dazu müssen Teams ihren User in der Entwicklung miteinbeziehen, z. B. in Form einer Persona, die im Entwicklungsprozess permanent berücksichtigt wird.
Um die Einbeziehung der Persona bei den Teams zu fördern, setze ich gerne einen kurzen Workshop mit dem gesamten Team an, in dem wir uns intensiv mit den Nutzer:innen beschäftigen und in dem die Personas definiert werden. So kann das Team näher am User agieren und später signifikante User Storys schreiben.
Wenn es schon eine Persona-Beschreibung für das Gesamtprodukt gibt, baue ich auf dieser auf. Ziel des Workshops ist:
Im Remote-Setting verwende ich gerne das Online-Whiteboard Miro, sodass alle gemeinsam arbeiten können. Als erstes schauen wir uns die bereits vorhandenen Personas gemeinsam an. Da diese normalerweise am Anfang des Projektes erstellt werden und dann in der (virtuellen) Schublade verschwinden, gebe ich dem Team hier nochmal Zeit, sich genauer mit ihnen auseinanderzusetzen. In dieser Sequenz kann das Team Fragen an diejenigen stellen, die die Persona entworfen haben (z. B. Marketing oder Product Owner), um Unklarheiten aus dem Weg zu räumen. Anschließend stelle ich die Frage in den Raum, ob aus der Sicht des Teams noch eine Persona, sprich User, fehlt und ergänzt werden sollte.
Anschließend beschäftigen sich die Teammitglieder in Kleingruppen von zwei bis drei Personen mit jeweils einer Persona. Wenn die Personas noch nicht in allen Details definiert worden sind, ist es ihre Aufgabe, ihnen „Leben“ einzuhauchen. Sie geben der Persona einen Namen und zeichnen ihren Lebenslauf inkl. Hobbys und Familienstand, sodass diese menschlicher werden und näher an den Endnutzer:innen orientiert sind.
Wenn die Persona im Detail definiert ist, beschreibt die Kleingruppe, wie sie das Modul, an dem das Team gemeinsam baut, nutzen wird:
Das Team setzt sich damit auseinander, was der User eigentlich für ein Problem hat, das gelöst werden soll und was er oder sie sich von der Nutzung des Produktes verspricht. Zeitgleich wird das Team dafür sensibilisiert, sich während der Produktentwicklung Gedanken darüber zu machen, was mögliche Störfaktoren für die User sein könnten.
Den größten Mehrwert des Workshops bringt die Beantwortung der nächsten Frage:
Die Entwickler:innen setzen sich selbst mit Funktionalitäten, die zur Verbesserung ihres Teilproduktes beitragen könnten, auseinander. Ich habe erlebt, wie Entwickler:innen sich bei dieser Fragen intensiver als je zuvor mit den Usern beschäftigten, eigene User Storys schrieben, dabei das Produkt-Backlog selbst befüllten und so user-freundlichere Produkte erstellten. Das sorgte nicht nur für mehr Zufriedenheit bei den Usern, sondern auch bei den Entwickler:innen, da sie ihre eigenen Ideen in das Produkt mit einfließen lassen können. Das Feedback, dass sie in den Reviews erhielten, war entsprechend gut.
Die Personas bringen den notwendigen menschlichen Bezugspunkt für eine empathische Beziehung in die Produktentwicklung und entfernen den anonymen User. Ich habe erlebt, dass ich mit dieser Methode sehr einfach die Kundenorientierung eines Scrum-Teams steigern kann. Im skalierten Umfeld sollte jedes Modulteam diese Übung regelmäßig durchführen. Ich unterstütze Sie gerne dabei.
Titelbild: mauro mora, Unsplash