Eine Rezension des Buches „OKR wirkungsvoll einführen und nutzen. Wie du deine Strategie nachhaltig und agil umsetzt“ von Urs Reupke und Steffi Baginsky auf Amazon machte mich stutzig. Der Autor der Rezension schreibt: „Ich feiere gerade, dass die historische Herleitung am Schluss untergebracht wurde – und nicht als langweiliger Anfang.“ (vgl. Amazon-Kundenrezension).
Tatsächlich ist die Erklärung am Ende des Buches prägnant und klar – so wie das gesamte Werk. Es vermittelt OKR in der guten alten Weise eines Kochbuches. Es zeigt deutlich die Beratungspraxis der Autor:innen. Damit treffen Urs Reupke und Steffi Baginsky den Nerv der Zeit und unterstützen Berater:innen dabei, mit OKRs (Objectives and Key Results) noch effektiver zu arbeiten. Wie viele der in diesem Kontext erscheinenden Bücher erhält man genau das, was man erwarten würde: ein solides „Kochbuch“, das konkrete Schritte aufzeigt. Der Nachteil dabei ist, dass man leicht den Kern der Sache übersieht.
Von Anfang an formulieren die Autor:innen eine breite Definition: „OKRs are … many things to many people.“ und ergänzen: „OKRs sind ein Hilfsmittel, um die wichtigsten Themen einer Organisation kollaborativ zu erarbeiten und zur Umsetzung zu bringen und damit die Organisation auf diese Themen auszurichten und langfristig erfolgreicher zu machen.“ (Reupke & Baginsky 2023, S. 7) Ich war besonders angetan von der Feststellung: „Mit OKRs betreiben wir partizipative und ganzheitliche Strategiearbeit.“
Doch unmittelbar danach steht vor allem die Beschreibung der OKR-Mechanik im Vordergrund: Was sind OKRs, wie schafft man eine zyklische Umsetzung, wie misst man Ziele etc. – alles fraglos richtig und gut aufbereitet.
Hier zeigt sich gleichzeitig die Stärke und die Schwäche des Buches. Positiv ist, dass es durch seine Praxisnähe überzeugt: Es liefert fundierte, gut verständliche und erprobte Beispiele aus der Beraterperspektive. Allerdings hätte ich mir mehr Reflexion über den eigentlichen Kern von OKRs gewünscht:
Viele dieser Fragen werden in der agilen Community – und darüber hinaus – diskutiert (vgl. etwa John P. Kotter: Leading Change, 1996). Im Buch hingegen bleibt der Fokus eher auf dem „Wie?“ als auf dem „Warum?“ oder dem „Was noch?“. Ein Blick in die Tiefe der Organisationsentwicklung und der menschlichen Faktoren könnte hier wertvolle Impulse liefern – ganz nach dem Motto, das auch Philosoph:innen wie Hannah Arendt (vgl. Vita activa, 1958) immer wieder betonen: Man muss verstehen, wie Menschen agieren und interagieren, um echten Wandel zu ermöglichen.
Am Ende habe ich das Gefühl, wieder nur eine weitere Methode an der Hand zu haben, die auf dem Markt der agilen Tools um Aufmerksamkeit buhlt. Dabei ist OKR – wie von den Autor:innen dargelegt – weit mehr als ein reines „Rezept“. Wenn wir OKRs nicht nur als Werkzeug, sondern als Teil eines größeren, partizipativen Transformationsansatzes betrachten, öffnet sich ein Feld für echte Zukunfts- und Strategiearbeit: den Blick nach vorn in ein Umfeld kontinuierlicher Veränderung, das mehr verlangt als das Abhaken von Checklisten.
Es ist im Buch also genau das drin, was der Titel verspricht: Wer also ein gut strukturiertes, zügig lesbares Buch zum Einstieg in das Thema OKR sucht, ist bei Reupke und Baginsky richtig. Wer sich vertieft mit den Fragen der Organisationsentwicklung, mit der Begleitung von Ängsten und Widerständen oder mit der Einbettung in umfassende Change- und Lernprozesse auseinandersetzen will, oder den nächsten Level in der Auseinandersetzung mit agiler Strategie sucht, findet hierzu eher weniger Impulse. In dieser Hinsicht bleibt das Werk, trotz seines durchweg professionellen Ansatzes, auf halber Strecke stehen – schade, denn das Potenzial für mehr Reflexion rund um das Thema Zukunft und Wandel wäre definitiv vorhanden.
• Reupke, U. & Baginsky, S. (2023): OKR wirkungsvoll einführen und nutzen. Wie du deine Strategie nachhaltig und agil umsetzt. dpunkt.verlag.
• Kotter, J. P. (1996): Leading Change. Harvard Business Review Press.
• Arendt, H. (1958): Vita activa oder Vom tätigen Leben. Piper.
(Alle Rechte an Textstellen und Zitaten liegen bei den jeweiligen Autor:innen. Diese überarbeitete Version spiegelt die persönliche Perspektive von Boris wider.)