Unser agiles Sales-Team bei borisgloger haben wir Anfang 2022 mit einem neuen Arbeitsmodell aufgebaut. Wir sind noch alle relativ frisch am Start, und ich freue mich, unsere Reise mit euch teilen zu dürfen.
Wie viele meiner Kolleg:innen habe ich einige Jahre in einem Unternehmen mit traditionellen Strukturen gearbeitet. Ich hatte Lust auf Veränderungen, insbesondere haben mich moderne Arbeitsmodelle interessiert, von denen ich mir erhoffte, dass sie mich fordern und fördern.
Meiner Meinung nach führen die traditionelle KPIs – für mich waren das u. a. Anzahl von Anrufen, Umsatz, Kundenterminanzahl – zu Qualitätsverlust. Ich habe selbst erlebt, dass die Inhalte des Gesprächs dann weniger wichtig waren als die Anzahl – damit die KPIs erreicht sind.
Sales-Mitarbeiter:innen arbeiten oft allein an einem Kundenportfolio, aber sind abhängig von operativen Teams. Und umgekehrt. Das bedeutet, dass der Umsatz nicht nur vom Vertrieb abhängt. Es kommen auch viele interne und externe Faktoren dazu – die oft vom Top-Management nicht in den KPIs oder in den Bewertungen gesehen werden.
Egal, ob es in traditionellen oder agilen Strukturen eingebettet ist, Sales ist immer komplett am Kundenfokus ausgerichtet – oder sollte es sein. Es geht mir nicht darum, was sich meine Organisation wünscht (z. B. in Form von KPIs), sondern darum, was die Kunden brauchen.
Um diesen Fokus erfolgreich zu behalten, anpassungsfähiger und reaktiver zu werden, ist die agile Herangehensweise der beste Rahmen, den ich mir wünschen könnte. Meine Arbeit ist nicht von dem bestimmt, was mein Unternehmen oder meine Sales-Kolleg:innen sich unter Vertrieb vorstellen oder wünschen, sondern davon, was die Kunden und die operativen Teams (die auch meine internen Kunden sind) wirklich brauchen.
Dadurch dass wir ein selbstorganisiertes Sales-Team sind, sind wir auch viel schneller und anpassungsfähiger: Die Entscheidungen werden im Team getroffen, es gibt keine Kommunikationsverzögerungen oder „Ich muss jemandem um Erlaubnis bitten”.
Ich habe erwähnt, wie einfach es ist, den eigenen Fokus im Sales zu verlieren: Im Spannungsfeld von Markt, Kund:innen und internem Bedarf ist es leicht, überfordert zu sein.
Damit habe ich mich anfangs im agilen Sales schwergetan. Allerdings fällt es mir durch unsere regelmäßige und geregelten Austausche viel leichter, meinem eigenen roten Faden zu folgen.
Bei Agilität denkt man automatisch an IT-Projekte, Softwareentwicklung usw. Allerdings sind agile Elemente sehr gut auf andere Bereiche übertragbar, z. B. auf Dienstleistungen, Krankenhäuser Hardware oder eben Sales, und sorgen für erhöhte Effektivität, Innovation und Engagement.
Lasst es mich konkret auf unser Sales-Team übertragen. Diese agilen Begriffe, Meetings und Artefakte haben uns geholfen:
Es gibt eine Aufgabenverteilung ohne Hierarchie nach den Scrum-Prinzipien. Unser Team hat einen Product Owner und einen ScrumMaster. Dadurch sind Verantwortlichkeiten klar verteilt und wir können uns auf unsere Lieferung konzentrieren. In anderen Worten – wir sind viel effektiver und es herrscht eine kollegiale Stimmung.
Wir treffen uns im Sales-Team (remote) zwei Mal wöchentlich für maximal 15 Minuten zum Daily, um zu besprechen, was wir am jeweiligen Tag vorhaben und was das Highlight des Vortages war. Wir haben uns dagegen entschieden, das Daily wie vorgesehen täglich abzuhalten, da wir zusätzlich noch ein Weekly und jede:r im Sales-Team auch mit den „eigenen“ Consulting-Teams wöchentliche Meetings hat. Der Bedarf an Austausch mit den Consulting-Teams ist für uns nämlich genauso hoch wie der mit dem Sales-Team.
Sowohl beim Austausch mit dem Sales-Team als auch mit den Consulting-Teams informiere ich die Kolleg:innen beispielsweise, mit welchen potentiellen Neukunden ich Kontakt aufnehmen möchte. Es ist schon vorgekommen, dass ich bei so einer Gelegenheit erfahren habe, dass eine Kollegin bereits jemandem in einem dieser Unternehmen kennt. Ohne den regelmäßigen Austausch bleiben solche Informationen im Verborgenen. Diese Termine sorgen für Transparenz und offenen Austausch, welcher uns im Sales sehr viel weiterhilft.
Jedes Sales-Teammitglied definiert für sich, was es innerhalb einer Woche schaffen will bzw. kann (Sprints). Für die Darstellung unserer „To-dos“ nutzen wir ein sogenanntes Taskboard (aus Kanban). Das haben wir an unseren Bedarf angepasst: Einige Vertriebsaktivitäten, wie z. B. Akquise, können nicht innerhalb eines Sprints abgeschlossen sein. Den möglichen Abschluss können wir auch schwer beeinflussen. Für solche Aktivitäten haben wir eine eigene Spalte in unser Board eingebaut.
Wichtig ist, dass das Board nicht wie KPIs benutzt wird. Es gibt keine Beurteilung, wenn etwas doch länger braucht. Sollte das aber häufiger passieren, dann überlegen wir gemeinsam, woran das liegt und wie das TEAM die möglichen Probleme (Impediments) lösen kann.
Dank dieses Taskboards weiß ich nicht nur, woran meine Kolleg:innen arbeiten, es hilft mir auch, besser zu priorisieren. Ich definiere nämlich für mich, worauf ich mich für den kommenden Sprint konzentrieren will/kann. Im Vertrieb machen wir oft viele „Neben“-Sachen – und es ist leicht, den Fokus zu verlieren. Durch unser Taskboard kann ich meinen „roten Faden“ der Woche wieder aufnehmen. Zudem schafft es einen Überblick darüber, was alles innerhalb einer Woche geschafft wurde oder eben nicht (Produktivität).
Wir haben unser Sprint-Planning in das Weekly-Meeting integriert. Einmal pro Woche treffen wir uns (remote) für eine Stunde, um alles Aktuelle abzuklären: Was haben wir die Woche zuvor geschafft, was haben wir diese Woche vor? Was hat unsere Produktivität verlangsamt (Impediments)? Was ist am Markt passiert? Wo sehen wir neue Bedarfe? Wo brauchen wir Hilfe oder Feedback? Jedes Teammitglied schreibt im Voraus seine Punkte in die Agenda – die werden dann gemeinsam besprochen, gelöst, entschieden und an die Kolleg:innen kommuniziert. Wir als Sales-Team entscheiden in diesem Meeting gemeinsam alles, was uns betrifft. Dabei kann es sich um neue Prozesse bis hin zu neuen Preisen handeln. Wie alle Zentralfunktionen (wie auch unser Hub) treffen auch wir Entscheidungen, die andere in der Organisation betreffen und geben Prozesse vor. Wir holen Feedback von den Kolleg:innen ein, aber grundsätzlich entscheiden wir alles, was wir uns zutrauen, selbst.
Wir wollen unsere Erfolge messbar machen – wie sollen wir ansonsten wissen, ob das, was wir tun, funktioniert? Allerdings wollen wir nicht messen, wie viel jede:r von uns arbeitet, sondern was dabei herauskommt: Was sind unsere Ziele und wie können wir sie erreichen?
Unsere Sales-OKRs sind in Alignement mit den Unternehmens-OKRs, aber sie werden von uns gemeinsam im Team festgelegt und committet.
In anderen Worten: Wir entscheiden gemeinsam, was wir erreichen und wie wir unsere Lieferungen messen wollen. Es können quantitative sowie qualitative OKRs sein, Hauptsache, sie sind auf die Weiterentwicklung der Firma und auf unserer Prozesse gerichtet.
So lautet in viel weniger Worten das, was es für mich bedeutet, in einem agilen Sales-Team und einem agilen Unternehmen zu arbeiten.
Die persönliche „Transformation“ ist herausfordernd, nicht nur wegen der neuen Tools, sondern weil es um eine Mindset-Änderung geht. Ich finde z. B. die Vermeidung von Direktnachrichten (wir posten transparent in Teams-Kanälen) immer noch herausfordernd. Ich muss meine Gewohnheiten ändern. Aber selbst nach nur sechs Monaten fühle ich mich schon empowert, geschätzt und merke, dass man mir vertraut.
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