Veraltet und kostenintensiv: Die Informations- und Kommunikations-Systeme (IKT) in den Krankenhäusern sind Auslaufmodelle. Gleichzeitig steigen stetig die Anforderungen an Informationssicherheit und -austausch intern sowie extern. Was also tun? Über eine Investitionsoffensive im Rahmen des Krankenhauszukunftsgesetzes (KHZG) stellt der Bund Gelder in Höhe 4,3 Mrd. Euro bereit. So weit, so gut. Ein Haken bleibt: Die neuen Systeme funktionieren nicht „out of the box“ und vielfach müssen mehrere Systeme für unterschiedliche Anwendungen miteinander kommunizieren.
Die IT ist untrennbar mit Prozessen der Anwender:innen verbunden
Ein Fall für die IT? Vordergründig schon. Aber was ist mit den Anwender:innen, den Menschen im Krankenhaus, die mit den Systemen arbeiten müssen? Sie sind unmittelbar betroffen, wenn ein System sich ändert oder neu eingeführt wird. Ein Beispiel zur Verdeutlichung: Denken Sie an die Standardsoftware MS Word oder MS Excel. Wie viele der Möglichkeiten kennen oder nutzen Sie? Es ist immer nur ein Bruchteil, selbst bei Profis! Genauso verhält es sich mit Software und Anwendungen im Krankenhaus. Die Anwender:innen kennen nur einen kleinen Teil der Möglichkeiten von IKT-Systemen.
Um im Vorfeld möglichst viel an Unsicherheit auszuschließen, definieren die Verantwortlichen in Krankenhäusern üblicherweise ein klares Ziel, auf das dann alle hinarbeiten. Die Crux: Beide Seiten, weder IT noch der oder die Anwender:in wissen im Vorfeld, wie das Ergebnis aussehen soll. Ein langer Abstimmungsaufwand in tagelangen Meetings und mit vollumfänglichen Dokumentationen in einem Lasten- und Pflichtenheft ist vorprogrammiert. Trotz enormer Anstrengungen sind die Ergebnisse beim Go-live häufig nicht das, was die Anwender:innen benötigten. Was lernen wir daraus? Je umfangreicher und komplexer die Aufgabenstellung, desto schwieriger die Arbeit mit klassischen Methoden.
Warum machen wir uns den Stress, im Vorfeld alles verstehen zu wollen? Warum rennen wir einer Sicherheit nach, die wir so nicht erlangen können? Der Grund liegt in unserer Konditionierung: Wir haben gelernt, in kausalen Zusammenhängen zu denken. Wenn, dann und vielleicht noch sonst. Die Problemstellungen sind aber meist viel komplexer und vielschichtiger, wie oben deutlich wird. Es ist schlicht nicht möglich, immer alles im Vorfeld zu berücksichtigen.
Wäre es im Sinne der Zielerreichung nicht viel sinnvoller, schrittweise, also iterativ vorzugehen und sich so dem bestmöglichen Ergebnis zu nähern? Dabei stellt sich sofort die Frage nach der Planbarkeit und den Kosten. Wenn das Ergebnis im Vorfeld nicht feststeht, kann das doch auch nicht geplant werden, oder? Nein, aber es können stattdessen die Vision und ein Zustand definiert werden, die im Ergebnis erreicht werden sollen. Die klare Formulierung dieses Zustandes gibt die Sicherheit und lässt dabei noch ausreichenden Spielraum für den Weg und die Lösungsfindung.
Woher soll der Klinikchef dann aber wissen, wann der Zielzustand erreicht ist und wie wird darauf hingearbeitet? Im Scrum sind das das Team, der ProductOwner (Vision, ROI) und der ScrumMaster (Produktivität) und das Umsetzungsteam. Der ProductOwner kommt in der Regel aus dem eigenen Haus und kennt sich mit dem Thema am besten aus. Er erarbeitet die Vision und die User-Storys, also die Beschreibung der Funktionalitäten, während das Team dafür verantwortlich ist, wie es die Funktionalitäten umsetzt. In kurzen Iterationen arbeitet es an den Aufgaben und nähert sich ausgehend von der kleinsten funktionierenden Einheit und regelmäßigen Feedbackschleifen in kurzen Abständen (zwei Wochen) mit den Anwender:innen dem Zielzustand.
Da kein Projekt idealtypisch läuft, sieht das agile Projektmanagement zudem einen ScrumMaster vor. Er oder sie beseitigt aufkommende Probleme oder Hindernisse und achtet auf die Produktivität und korrekte Lieferung. Dabei führt er/sie reflexive Prozesse ein (wie Review und Retro), damit sich Produkt und Team stetig verbessern. Das Ergebnis eines solchen Arbeitsprozesses: Optimale Ressourcenallokation und hocheffiziente Abläufe mit allen Beteiligten, wobei Fehlentwicklungen frühzeitig entdeckt und korrigiert werden können.
Nicht nur Scrum ist ein effizientes Rahmenwerk für das Krankenhaus. So kann z. B. Design Thinking dabei unterstützen, Kreativprozesse anzuregen und Lösungen zu einem vorhandenen Problem zu finden, ohne dass der Zielzustand oder die Vision schon erkennbar wären. Das ist vor allem dann der Fall, wenn es zu dem Problem noch keinen technischen Ansatz zur Lösung gibt. In dem Fall wird das gesamte Know-how, das die Klinik zu dem Thema aufzubieten hat, eingeladen, sich in einem festen Rahmen Gedanken über das Problem und die Lösungsansätze zu machen und diese in kurzen, schnellen Schritten zu verproben. So ist es möglich, sich Schritt für Schritt einer für alle passenden Problemlösung zu nähern – das betrifft neben IT-Projekten viele andere Kontexte im Krankenhaus.
Weitergehende Infos zu den Frameworks Scrum und Design Thinking finden Sie hier oder sprechen Sie mich direkt an.
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Titelbild: National Cancer Institute, Unsplash