Wenn ein Team mal wieder Ewigkeiten an etwas rumschraubt, ohne zu einem Ende zu kommen, wird in der agilen Community gerne ein Spruch verwendet: „Done is better than perfect!“ Er hat in der Zwischenzeit eine gewisse Berühmtheit erlangt, sodass ich keinen Agilisten kenne, der nicht schon drüber gestolpert ist (oder ihn im eigenen Repertoire hat) und ja, ich verwende Ihn auch gerne - sowohl für meine eigenen Projekte als auch um anderen Menschen den Kern der Agilität beizubringen. Dabei gilt es aber, eine gewisse Vorsicht walten zu lassen, da dieses Sprichwort sehr unterschiedlich verstanden werden kann. Reden wir bei „Done is better than perfect“ davon, die Tätigkeit schnell mal zu erledigen, sie in eine Ecke zu werfen und die nächste Sache anzugehen? Nein, das wäre genausowenig zielführend, wie Ewigkeiten an einem Thema zu arbeiten und darauf zu hoffen, alles perfekt zu machen, ohne andere Leute zu involvieren.
Tatsächlich hat dieses Sprichwort viel damit zu tun, uns selbst Lernschritte zu ermöglichen - in kleinen gut verdaulichen Häppchen, ohne dass wir von Anfang an viel zu viel Arbeit investieren. Das Sprichwort soll ermutigen, den allerersten Draft (im Sinne eines in sich geschlossenen, aber rudimentären Prototyps) so schnell wie möglich zu erstellen und in einen Feedbackzyklus mit den Kunden oder Kollegen zu gehen, um an der nächsten Iteration zu arbeiten. Man kann sich das etwa so vorstellen wie die minimalen Ausgleichsbewegungen beim Autofahren. Wir würden doch auch nicht die Augen schließen, losfahren und nach einer halben Stunde kontrollieren, ob wir auch wirklich wie geplant perfekt am Ziel gelandet wären, oder? Der Fahrer hat immer die Straße im Blick und kontrolliert damit die Korrekturbewegungen seiner Hände am Lenkrad (wir fahren in der Realität nie wirklich ganz gerade, sondern gleichen ständig aus). Beim Autofahren sorgt also ein sehr schnelle Feedback-Loop dafür, dass wir minimale Abweichungen vom Soll jederzeit korrigieren.Ähnlich wie beim Autofahren sollten wir diese Methode in unseren Alltag integrieren. Es ist wichtig, nicht allzu lange alleine an etwas zu tüfteln, sondern so schnell wie möglich nach draußen zu gehen und andere Menschen um ihr Feedback zu fragen. Nur so kann man wissen, ob man vielleicht in eine nicht so sinnvolle Richtung abgedriftet ist und wo man vielleicht eine andere, neue Richtung einschlagen sollte. Das Feedback muss man nicht immer umsetzen, aber eine Meinung, die über das eigene System hinausgeht, ist in jeder Hinsicht wertvoll.
Das einzige, was uns davon abhalten kann, ist unser liebes Ego. Gibt es irgendein sinnvolles Argument, seine Ideen nicht schon recht früh jemand anderem zu zeigen? Ich persönlich sehe nur einen Grund: Die Angst davor, dass jemand die geniale Idee für doch nicht so genial halten könnte. Dabei vergessen wir aber gerne, dass selten eine Türe zugeht, ohne dass sich eine andere öffnet. Es entsteht doch immer etwas Neues, wenn wir unsere Ideen dem Umfeld zeigen, und je früher wir das tun, desto schneller können wir unser Produkt adaptieren und wirklich das erschaffen, was der Zeit und Ort gerade dringend benötigen.Ich persönlich arbeite daran, diesem Konzept immer öfter und immer früher in meinem Leben zu folgen. Die herben Enttäuschungen werden weniger und ich werde mir immer mehr bewusst, dass es nicht darum geht, etwas alleine bis zur Perfektion zu treiben (natürlich vergesse ich manchmal darauf, aber es ist eine Tendenz erkennbar). Das ist ungemein erleichternd. Ich muss nicht mehr der Superheld sein, der die Dinge von Anfang bis Ende perfekt gestaltet, sondern ich habe die Möglichkeit, mich ständig zu adaptieren und etwas zu gestalten, das iterativ durch Feedback besser wird. Und das jederzeit im Bewusstsein, dass ich mich Stück für Stück in die richtige Richtung bewege und am Ende nicht darum zittern muss, in eine komplett falsche Richtung gelaufen zu sein.Warum sich also das Leben kompliziert machen, wenn es auch so einfach geht, oder?