Die Welt steht Kopf: Führe ich andere oder mich selbst? Die Führungskraft
Im ersten Teil haben wir argumentiert, dass man nur Systeme (die aus Kommunikation bestehen) führen kann, keine Menschen. Es gibt eine Ausnahme: Uns selbst können wir führen. Das bedeutet, dass wir auch bei uns anfangen müssen, wenn wir eine Führungskraft sein wollen.
In erster Linie führen wir uns selbst, indem wir an unserer inneren Haltung arbeiten. Sobald wir das erfolgreich können und eine begeisternde Einladung zur Mitarbeit ausgesprochen haben, werden uns andere folgen.
Das funktioniert, weil die Menschen, die wir führen, es zulassen. Das ist das Prinzip der Freiwilligkeit. Die Erkenntnis, dass wir eigentlich niemand anderen als uns selbst führen können, hilft dabei, unserem Anspruch an uns als Führungskraft gerecht zu werden. Wenn wir Menschen dazu bewegen können, mit uns ein Ziel zu verfolgen, dann führen auch sie sich selbst – aber eben in die gleiche Richtung, in die wir gehen.
Als ScrumMaster seid ihr Führungskräfte und wollt, dass euer Team ans Ziel kommt. Dazu schlüpft ihr in sechs Rollen der Führung. Niemals alle gleichzeitig, sondern ausgerichtet auf das, was das Team gerade braucht. In drei der Rollen ist die Selbstführung im Vordergrund, in den drei anderen die Teamführung
Rollen, in denen der ScrumMaster vor allem sich selbst führt
Die Rolle des Leaders (Führungskraft): Dies ist der Kern. Ich muss klare Ansagen machen, wo ich mit dem Team hinmöchte. Gleichzeitig ist diese Rolle auch der Knackpunkt, denn wenn Führung bei mir selbst anfängt, muss ich also an mir selbst arbeiten. Genau das macht Führung auch so schwer, denn wenn wir mal ehrlich sind, wer arbeitet gerne an sich selbst, wo es doch viel leichter ist, bei anderen anzufangen. Erst wenn ich diese Rolle angenommen habe und ausfülle, kann ich auch die anderen Rollen leben.
Die Rolle des Trainers: In dieser Rolle steckt die Weitergabe von theoretischem Wissen. Ich trage Sorge dafür, dass wir ein funktionierendes Arbeitsmodell haben. Auch als Trainer:in bin ich in dieser Rolle eine Führungskraft und kann mein Wissen nur anderen vermitteln, wenn ich selbst weiß, was das Ziel der Wissensvermittlung ist und wie ich dort hinkomme. Folglich führe ich auch in diesem Fall in erster Linie mich selbst, um andere mit meinem Wissen zu befähigen.
Die Rolle des Managers: Das dürfte die bekannteste Rolle sein, und dennoch versehen wir sie mit einem Twist. Wenn wir der aufgestellten These folgen, dass man nur sich selbst führen kann, dann kann man auch nur sich selbst managen. Das heißt, ich muss meinen Kalender und meine Zeitplanung selbst im Griff haben, ich muss sicher im Umgang mit Risiken sein und ich muss für mich selbst einschätzen können, wieviel ich in etwas investiere. Erst wenn ich das alles für mich selbst beherrsche, kann ich mit gutem Beispiel vorangehen und durch das Vorleben gewisser Praktiken ein System führen.
Rollen, in denen der ScrumMaster vor allem das Team (System) führt
Die Rolle des Facilitators: Als Facilitator gestalte ich die Rahmenbedingungen und mache die Regeln, damit der Prozess funktioniert.
Die Rolle des Team-Coaches: In dieser Rolle sorge ich dafür, dass das Team die nötigen inhaltlichen Skills hat oder erhält und dass diese weitergegeben werden, sodass im Team das Wissen aufgebaut werden kann, das nötig ist.
Die Rolle des Change Agents: In dieser Rolle sorge ich dafür, dass mein Team ungestört arbeiten kann, dass Dinge durchgeführt werden und nicht nur darüber gesprochen wird. Auch wenn das an manchen Stellen bedeutet, Menschen höflich auszuladen.
Die Gemeinsamkeit aller sechs beschriebenen Rollen ist, dass es genau auf eine Sache ankommt: Unsere innere Haltung. Und wir sagen euch, es ist nicht nur manchmal, sondern sogar sehr oft schwieriger als man denkt, sich selbst so klar zu führen, dass es gut gelingt, andere dabei und für die Richtung, in welche man geht, zu begeistern. Dazu gehören harte Arbeit, viel Selbstreflexion und die Bereitschaft, an sich zu arbeiten. Wenn euch das gelingt, und zwar immer wieder aufs Neue, dann werden euch die Menschen folgen wollen.
Klar, Frameworks – wie Scrum –, digitale Tools und andere Hilfsmittel helfen euch, das Ziel zu erreichen. Aber die innere Haltung ist das, was euch am Ende erfolgreich macht.
Erst wenn wir für uns rausfinden, was wir wollen und wo wir hin wollen, dann können wir unserem Team eine Richtung geben, ihm ein Ziel vorleben oder eine Methode beibringen. Und das Spannende ist, dass dies nichts anderes ist als Führung.