„Neo, früher oder später wirst du, so wie ich, realisieren, dass es einen Unterschied macht, ob man den Pfad kennt oder den Pfad geht.“
Morpheus im Film „Matrix“
Wenn in einer Organisation – gerade in einem Konzern – die Entscheidung fällt, eine agile Form der Zusammenarbeit unternehmensweit zu etablieren, dann braucht diese agile Ablauforganisation auch eine entsprechende Aufbaustruktur, die die ausgeweiteten Verantwortlichkeiten – oder traditionell gesprochen „Berichtslinien“– definiert. Diese Aufbaustruktur kann projekthaft definiert sein oder die Linienorganisation neu abbilden.
Es gibt wenige Frameworks, die agiles Zusammenarbeiten in einer Aufbaustruktur abbilden. SAFe® z. B. ist ein Framework, das explizit eine projekthafte Aufbaustruktur – neben einer bestehenden tradierten Linienstruktur – unterstützt. Aus meiner Sicht ist das temporär für eine Organisation aushaltbar, teilweise sogar sinnvoll, um sich auf Inhalte zu fokussieren und damit „Strukturveränderungen“ nicht das dominierende Thema sind. Letztendlich muss allerdings entschieden werden, ob die rahmengebende Struktur die gewünschten Abläufe in einem Unternehmen auch optimal unterstützt und nicht zwei Schattenorganisationen (Projekt- und Linienorganisation) gepflegt werden. Dauerhaft hält das eine Organisation nicht aus.
Ein prominentes Framework, das vor allem ein Strukturenmodell beschreibt – und weniger, quasi gar keine agilen Abläufe – ist das Spotify-Modell. Es beschreibt, wie sich ein Unternehmen strukturell organisieren kann, um agile Abläufe in den organisatorischen Rahmen zu überführen (unabhängig davon, ob es sich z. B. um prozessual fokussierte Kanban-Abläufe oder produktzentrierte Scrum-Abläufe handelt). Aber Vorsicht: Das Modell entstand 2012. Und schon damals stand in den Beschreibungen, dass das Unternehmen auf einem Weg ist und nicht am Ziel. Es ist also nicht sinnvoll, das Spotify-Modell im Jahr 2022 unreflektiert zu kopieren. Es gibt auch aktuelle Tendenzen, es zu modifizieren (z. B. das unFIX-Modell oder myScaled Agile).
Es ist unbestritten, dass tradierte Unternehmensstrukturen neuen Strukturen weichen müssen, wenn moderne Arbeitsabläufe mit crossfunktionalen Teams eingeführt werden. Vor allem in großen Organisation bleibt auch die disziplinarische Führung weiterhin ein erforderliches Thema. Ein Konzept aus dem Spotify-Modell, das beides vereint – eine Aufbaustruktur mit erweiterten Team-Verantwortlichkeiten und disziplinarische Führung – sind die sogenannten „Chapter“. Chapter sind Teams, die eine homogene fachliche Spezialisierung aufweisen (also keine crossfunktionalen Teams). Die disziplinarische Führungskraft hat den Auftrag, diese Teams in die fachliche Exzellenz zu führen.
Die Mitglieder der verschiedenen Chapter arbeiten dann in festen crossfunktionalen, agilen Teams (siehe Abbildung zum Spotify-Modell). Die Verantwortung der jeweiligen disziplinarischen Führungskraft erstreckt sich aber alleine auf das Chapter – nicht auf das crossfunktionale Team. Der Charme dieser Form der Matrix-Organisation ist, dass die Mitarbeitenden der crossfunktionalen Teams in ihren jeweiligen Chaptern permanent in erforderlichen Skills weitergebildet werden und ein Chapter-Lead ausschließlich dafür verantwortlich ist.
Damit die Chapter-Leads diesem Auftrag nachkommen können, haben wir ein Chapter-Canvas entworfen – eine Struktur- und Analysehilfe. Damit können die Themenfelder identifiziert werden, die den Mitgliedern des Chapters helfen, maximalen Input in die crossfunktionalen Teams zu tragen, zu deren Teamerfolg sie beitragen. Das Wissen wird also permanent verbreitert.
Welche Vorgehensweisen haben sich bei euch bewährt? Ein Whitepaper zum Spotify-Modell findet ihr hier.
Titelbild: Markus Spiske auf Unsplash