Die Versicherungsbranche befindet sich mitten im digitalen Wandel. Aktuell investieren die Unternehmen viel Geld in IT und Digitalisierungsprojekte. Gleichzeitig begegnen sich Versicherer und Insurtechs immer häufiger auf einer kooperativen, statt auf einer konkurrierenden Ebene. Daher überrascht es nicht, dass die IT oder einzelne Bereiche der Produktentwicklung die Keimzellen einer agilen Arbeitskultur in Versicherungsunternehmen sind. Der Vertrieb bleibt davon jedoch häufig unberührt. Dabei haben (auch und gerade) die Vertriebsabteilungen das Potential, mit einer agilen Transformation an Bedeutung und Wirksamkeit zu gewinnen.
Der klassische Versicherungsvertrieb, insbesondere der Außendienst, hat in den letzten Jahren stark an Bedeutung für die Konzerne verloren. Seit 2011 schrumpften die an eine Gesellschaft gebundenen Versicherungsvermittler/innen um ein Drittel. Die übrigen haben bereits ein durchschnittliches Alter von 45 Jahren erreicht. Die Zufriedenheit innerhalb der Vertreterschaft liegt außerdem auf einem Rekordtiefstand laut einer aktuellen Meldung des Branchenmagazins AssCompact.Gleichzeitig sind Versicherungsvermittler/innen für den Versicherer immer noch die direkte Schnittstelle zum Kunden und in komplexen Versicherungsprodukten, wie Lebensversicherungen, ist die Komponente Mensch weiterhin entscheidend. Die Vermittler/innen empfangen nämlich kontinuierlich die Informationen, die die Unternehmen unbedingt benötigen, um neue Produkte zu entwickeln und bestehende anzupassen. Anders gesagt: Der Vertrieb sitzt an der Quelle (Kunde), um ein Unternehmen erfolgreich und innovativ zu machen.Der/die Verkäufer/in, als Mensch vor Ort, kann sich so zu einem wieder wichtiger werdenden Alleinstellungsmerkmal entwickeln. Die Schnittstelle zwischen der live Beratung und der digitalen Bedienoberfläche ist ebenfalls ein kritischer Faktor. Denn auch analoge Kunden sind digital vertreten und wollen entsprechend abgeholt werden. Das heißt im Umkehrschluss, dass der Vertrieb für eine konsistente Customer Journey in die digitale Strategie eingebunden sein muss.Wenn Vertriebler/innen sich enger zusammenschließen, austauschen und zusammen neue Ideen für Dienstleistungen und Produkte entwickeln und umsetzen, können sie den innovativen Unterschied ausmachen. Selbst der typische Online-Kunde könnte seinen Vorteil an der analogen Dienstleistung erkennen. Wenn aber jeder sein eigenes Süppchen kocht, in der Hoffnung, auf der hausinternen Vertriebs-Rangliste einen besseren Platz zu ergattern, werden Potentiale liegen gelassen.
Verkäufer/innen bringen bereits ein agiles Grundverständnis mit, da der Vertrieb sich anders als die meisten anderen Abteilungen immer schon auf die Kunden einstellen musste. Mittlerweile ist diese Anpassung in Versicherungsunternehmen aber schwerfällig, weil dem Vertrieb der entsprechende Rahmen fehlt, um sich selbstorganisiert so zu entwickeln, wie es die Zeit verlangt. Agile Frameworks können Lösungen bieten, zum Beispiel mit diesen drei agilen Praktiken:
Die Erstellung von Personas hilft, die eigenen und potenziellen Kunden besser zu verstehen und die Kundenansprache, Dienstleistungen und Produktpalette bedarfsgerechter zu gestalten. Konkret werden dabei Steckbriefe erstellt. Diese beinhalten z.B. Beruf des Kunden, Verhaltensmuster, private Interessen und vieles mehr. Ein Blatt Papier und ein Stift reichen für die Umsetzung bereits aus.
Nur zu wissen, wer mein Kunde ist, reicht natürlich nicht. Die Frage ist, wo und wie ich ihn erreiche, also welche potenziellen Touchpoints es mit dem Kunden gibt. Eine Visualisierung dieser Touchpoints kann viele neue Ideen für Vertriebsansätze hervorbringen.
Das Kanban-Board sorgt für Effektivität und Transparenz und das bei einer einfachen Handhabung. Durch Visualisierung der Aufgaben können neue Ideen entstehen und Ansätze für Hilfestellungen vom Team leichter identifiziert werden. Kanban-Boards liefern wichtige Informationen für die Optimierung der eigenen Vertriebsprozesse und eignen sich hervorragend, um Multitasking und Überlastung entgegenzuwirken.
Laut einer Studie der Boston Consulting Group können agile Unternehmen fünfmal erfolgreicher arbeiten als nicht agile. Wer aber seine Organisation zu einem Unternehmen entwickelt, dass flexibel und schnell auf veränderte Marktanforderungen reagieren kann, tut das nicht nur, indem er agile Methoden einführt. Er muss Agilität als Kultur etablieren. So lässt sich auch im Versicherungsvertrieb eine Produktivitätssteigerung durch Agilität erzielen.Auch für die Produktentwicklungsteams der Versicherer ist der Vertriebler als Kundenversteher eine wichtige Informationsquelle und könnte sich somit innerhalb multidisziplinärer Teams wertschöpfend einbringen. Teams, die nach dem BizDevOps-Ansatz organisiert sind, sind nachweislich erfolgreicher als bei der Produktentwicklung in Silos. Lesen Sie hierzu unser Whitepaper “BizDevOps – Warum multidisziplinäre Teams für deutsche Versicherer unausweichlich sind”.Bild: Pexels License, mentatdgt