Nicht nur die sinkenden Markteintrittsbarrieren für Fintechs, sondern vor allem das sich wandelnde Kundenverhalten zählt zu den Disruptoren in der Bankenwelt und ist der größte Treiber für die agile digitale Transformation. Wie sollen die traditionellen Großbanken die Transformation zum agilen Finanzdienstleiter der Zukunft schaffen? Wie können relevante IT-Systeme und Banking-Kanäle nahtlos in die agile Welt übertragen werden? Und, eine weitere wichtige Frage in diesem Kontext: Wie können agile und klassische Teams dabei gleichermaßen erfolgreich gemanagt werden?Vor welcher Hürde klassische Banken stehen, wird besonders in der Agile Organization Study 2017 deutlich: 84 Prozent der – vorwiegend aus dem deutschen Finanzsektor stammenden – befragten 119 Unternehmen bezeichnen das Zusammenspiel von agilen und traditionellen Teams in ihrer Organisation als große Herausforderung. Punktuelle Innovation Labs oder vereinzelte agile Teams in einem ansonsten klassischen Projektumfeld stoßen oft auf langjährig gewachsene und unflexible IT-Strukturen. Bei der Einführung von agilen Management Frameworks wie Scrum entstehen daher Spannungen, die aus dem Weg geräumt werden müssen.
Wenn agile und klassische Teams gemeinsam an der Realisierung eines Projekts arbeiten, prallen sehr verschiedene Mindsets und Kulturen aufeinander. Zusätzlich wird die Arbeit der Teams, die einem agilen Ansatz folgen, durch streng hierarchische, regulatorische und fragmentierte (IT-)Strukturen schwieriger. Denn die ohnehin schon komplexe agile Banking-Transformationen wird durch nicht-kompatible IT-Plattformen, Systemlandschaften und Programmiersprachen verstärkt. Hinzu kommt: Für eine erfolgreiche digitale Transformation muss die Digitalisierungsinitiative der Banken sowohl attraktive und innovative Frontend-Lösungen für eine bessere Customer Experience als auch entsprechend angepasste Prozesse sowie Kernbanken- und Backendsysteme mit einschließen.
Um von Beginn an die richtigen Weichen für den Change zu stellen, empfehlen wir 5 Schritte zur Integration von agilen und klassischen Teams. Diese Schritte sind aus der Kombination von praktischen Erfahrungen und Change-Management-Ansätze entstanden:
Für einige Teams kommt die Umstellung auf agile Vorgehensweisen ziemlich abrupt. Kaum ein Unternehmen hat die Zeit, einen „weichen“,
jahrelangen Übergang zu planen. Also werden Teams zusammengestellt, die als „Auserwählte“ von jetzt an dem gerade ins Leben gerufenen Innovation Lab angehören und bei der Digitalisierungsinitiative des Finanzinstituts mitwirken. Einige Mitarbeiter haben die Möglichkeit, sich nach dem Prinzip der Freiwilligkeit dort einzufinden, andere werden unfreiwillig in ihre neue Rolle eingeführt. Eine solche Trennung in der Organisation ist selten mit völliger Akzeptanz und Vorfreude verbunden.Während die neu geschaffenen agilen Abteilungen erst in ihre Rollen hineinwachsen müssen, beobachten klassische Teams, wie die agilen Pioniere an ihnen vorbeiziehen und eine Sonderstellung im Unternehmen einnehmen. Um Neid und interne Konflikte zu vermeiden, müssen alle Teams im Unternehmen vom Management wertgeschätzt werden. Genau das Gleiche gilt für unterschiedliche Produktentwicklungsansätze. Denn es gibt durchaus Projekte, die nach dem ganz klassischen Projektmanagement gelingen. Dafür muss ein stabiles Umfeld gegeben sein, wie zum Beispiel überwiegend bekannte Anforderungen und Technologien sowie ein überschaubarer Projektumfang. Dann können auch klassische Wasserfall-Projekte hervorragend funktionieren. Da die Realität aber oft anders aussieht, greift man bei eher unklaren Anforderungen und Technologien im dynamischen Umfeld auf agile Frameworks wie Scrum zurück. Wenn das allen im Unternehmen klar ist, inklusive dem Management, kann die Transformation starten.Unser Praxistipp: Schätzen Sie jedes Ihrer Teams wert, das einen Beitrag zum großen Ganzen liefert, auch jene, die es nicht ins Inno Lab geschafft haben. Motivieren Sie klassische Teams, den nächsten Schritt der Digitalisierungsinitiative mitzugestalten. Und holen Sie jene ab, die durch die Wörter Agilität und Scrum bereits ins Tal der Tränen befördert wurden.
Das bringt uns zum zweiten Punkt: Kontinuierliche und offene Kommunikation zwischen den agilen Teams und jenen, die im selben Unternehmen weiterhin unter dem klassischen Führungsverständnis arbeiten. Das ist einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren für eine effektive Zusammenarbeit an einer gemeinsamen Digitalisierungsstrategie. Laden Sie verschiedene Teams aus unterschiedlichen Fachbereichen zu Ihren agilen Teams ein, damit sie Rollen, Artefakte, Meetings und Meeting-Formate der agilen Welt kennenlernen können. An einem Tag der offenen Tür oder in Form von Open Spaces können Themen wie Selbstorganisation allen Mitarbeitern nähergebracht werden. Auch Vorträge von aufstrebenden Fintechs oder anderen Keynote-Speakern zum Thema Agilität können angeboten werden. Es entsteht ein Austausch.Unser Praxistipp: Kommunikation und Transparenz sind entscheidend für die gute Zusammenarbeit beider Welten. Das Vertrauen aller Mitarbeiter in einen erfolgreichen Change-Prozess kann in erster Linie durch transparente Maßnahmen und eine motivierende Vision gestärkt werden.
An diesem Change müssen die Teams gemeinsam arbeiten. Ein einzelnes Team oder Inno Lab kann auf lange Sicht nicht alleine eine nachhaltige vertikale Digitalisierungsstrategie umsetzen. Um auf vertikaler Ebene, also silo- oder spartenübergreifend Minimum Viable Products (MVPs) zu entwickeln und zu verbessern, werden viele Teams gebraucht, die zusammenarbeiten. (Mehr zum Thema MVPs im Video von Boris Gloger) Klassische Teams mit agilen Teams in Einklang zu bringen, ist hier eine Herausforderung. Denn die klassischen Teams müssen den Transfer ebenfalls schaffen und verstehen, welche und wie viele Abhängigkeiten es untereinander gibt. Die Monolithen-Technologie der Banken sollte einem stabilen Netzwerk aus Microservices weichen, das Abhängigkeiten reduziert und die Flexibilität erhöht. Dieser Change muss nicht nur tatsächlich, sondern zunächst in den Köpfen der wichtigsten Veränderungskraft im Unternehmen stattfinden: in jenen der Mitarbeiter.Unser Praxistipp: Auch wenn viele klassische Teams in ihrer bisherigen Form beibehalten werden und nur ein kleiner Teil im Unternehmen agil arbeitet, sollten so viele Teams wie möglich in den vertikalen Produktentwicklungsprozess eingebunden werden. Wenn auch nur, um aufzuzeigen, dass hier klassische Methoden schnell an ihre Grenzen kommen.
Eine weitere Schwierigkeit liegt auf der IT-Ebene. Wenn starre Altsysteme mit den schnellen Entwicklungen auf dem Markt nicht mehr mithalten können, muss eine Lösung her: Agiler und digitaler sollen die Banken werden. Und das möglichst schnell. Alte und nicht kompatible Programmiersprachen machen das Vorhaben nicht einfacher. Um weder den klassischen noch den agilen Teams den Mut zu nehmen, können Schnittstellen inkrementell und iterativ geliefert werden. Klassische Teams können früh in die Produktentwicklung der Schnittstellen-Lösungen mit eingebunden werden, wenn sie sich Mock-ups ansehen und „ausprobieren“ können.Unser Praxistipp: Zum Sprint Review, in dem das fertige Produktinkrement präsentiert wird, können auch klassische Teams aus anderen Fachbereichen eingeladen werden, um die Energie und Bedeutung dieses Events mitzuerleben.
Mit der Etablierung agiler Teams in einem bisher klassischen Projektumfeld treffen branchenübergreifend unterschiedlich stark ausgeprägte Unternehmenskulturen und Werte aufeinander. Das liegt besonders an den unterschiedlichen Mindsets der Menschen, die eine Organisation erst agil machen. Oder eben auch nicht. Hinter den agilen Mindsets verbergen sich Mitarbeiter, die die agilen Werte „Fokus“, „Commitment“, „Offenheit“, „Mut“ und „Respekt“ nicht nur verinnerlicht haben, sondern auch leben. Sie fordern ein Umfeld mit kurzen Feedback-Schleifen, inkrementeller Produktentwicklung und wollen sich gemeinsam im Team ständig weiterentwickeln. Hinter dem klassischen Mindset verbirgt sich nichts anderes als die Denkmuster, die viele schon seit der Schule perfektioniert haben. Dazu zählt die besondere Wertschätzung in der Vergangenheit bewährter Methoden, Prozesse, Rollenbilder und oft auch Hierarchien. Selbstorganisation gehört oft nicht zu jenen Dingen, die wir in der Schule, an der Uni oder am Arbeitsplatz lernen.Daher: Einige Teammitglieder werden den Mindset-Change leichter vollziehen, andere werden die Themen Agilität und Scrum von Beginn an strikt ablehnen. Um den Aufprall der unterschiedlichen Kulturen abzufangen, muss die Notwendigkeit für den agilen Wandel allen Mitarbeitern kommuniziert werden. Es müssen Plattformen geschaffen werden, um die agile und die klassische Welt miteinander zu verbinden. Die übergeordnete Vision der Transformation darf daher weiterhin klassisch arbeitenden Teams nicht vorenthalten werden. Denn schließlich bewegt sich die Organisation (im besten Fall) in eine gemeinsame Richtung.Unser Praxistipp: Eine der wichtigsten Botschaften, um Offenheit für eine neue Kultur zu erzeugen, ist den immensen Kundennutzen in den Fokus zu rücken, der durch iteratives Entwickeln und die frühe Einbindung des Users entsteht. Kaum etwas ist effektiver, als User-Feedback hautnah mitzuerleben. Daher: Laden Sie klassische Teams dazu ein, dabei zu sein, wenn dem Nutzer fertige End-to-End-Lösungen präsentiert werden. Das zeigt deutlich, wie wichtig die Entwicklung nah am User ist.
So oft wie möglich sollten andere Teammitglieder die Chance haben, sich zumindest indirekt am agilen digitalen Wandel eines Finanzdienstleisters zu beteiligen. UND: Nutzen Sie den Multiplikator-Effekt. Die crossfunktionale Teamstruktur in agilen Projekten ermöglicht es, das Wissen und die Expertise zum Thema Agilität auch in die Linienorganisation zu tragen. Ganz wird es nicht ausbleiben, dass die Rollen weiterhin ineinandergreifen. Nutzen Sie genau das aus, denn die Teams können sich untereinander von der neuen Dynamik am besten begeistern.