In Homeoffice-Zeiten bekomme ich auf meinen Projekten zunehmend den Frust über Dailys zu spüren. Teammitglieder beklagen sich, dass ihnen das Meeting keinen Mehrwert liefert, die Timebox nicht eingehalten wird und es lediglich ein Event ist, um sich gemeinsam über Probleme und Unzulänglichkeiten in der Organisation zu echauffieren.
Die Meetingregeln sind den Teams bewusst und werden auch im Homeoffice gelebt. Im Daily wird respektvoll miteinander umgegangen, die Technik funktioniert einwandfrei und der Sinn und Zweck des Meetings ist ebenfalls allen geläufig. Und dennoch beklagen sie sich: Jeden Tag wird auf das Taskboard geschaut und die gleichen drei Fragen werden gestellt. Dabei wird immer nur das gesagt, was ohnehin bereits jeder weiß. Entweder verkommt das Daily zu einer Statusabfrage oder zu einem Event, in dem sich die Teilnehmenden tagein, tagaus über die gleichen Themen beklagen. Manchmal ähnelt das Daily auch eher einem Gespräch in der Kaffeeküche, bei dem sich die Mitarbeitenden über private Themen austauschen. Der eigentliche Sinn und Zweck des Meetings geht verloren. Wie können wir diesem Daily-Trott entgehen?
Wenn Mitarbeitende sich beklagen, dass ständig die gleichen drei Fragen gestellt werden, dann stelle einfach andere. Es spricht überhaupt nichts dagegen, sich von der starren Methodik zu lösen und individuelle Fragen zu stellen. Das spiegelt sich auch in der neuen Ausgabe des Scrum Guides aus dem Jahr 2020, in der keine Vorschläge für Fragen im Daily mehr gemacht werden. Die Monotonie wird außerdem verringert, wenn die Entwickler:innen selbst die Moderation übernehmen. Diese Aufgabe kann auch im Wochenrhythmus rotieren. Außerdem empfehlen wir, das Taskboard nicht mehr als Arbeitstool, sondern als Informationsquelle zu verwenden. Damit im Daily selbst keine Diskussion zum Taskboard stattfindet, sollten alle ihren Fortschritt im Vorfeld auf dem Board aktualisieren.
Ein Tipp für wirklich erfahrene Scrum-Teams: Versucht doch einfach mal, komplett ohne Taskboard zu arbeiten und Fortschritte live zu präsentieren. Jede:r Entwickler:in zeigt voller Stolz, was sie oder er seit dem letzten Daily erreicht hat und erläutert kurz die nächsten Schritte. Diese Art des Dailys gelingt aber wirklich nur bei gut eingespielten Scrum-Teams. Sonst besteht die Gefahr, dass der Fokus nicht auf der Klärung von Abhängigkeiten bleibt, sondern schnell in inhaltliche Diskussionen abgedriftet wird. Außerdem ist das Einhalten der Timebox eine Herausforderung – gerade weil nacheinander jedes Teammitglied seinen Bildschirm teilen muss. Daher empfiehlt es sich eher für kleine Teams. Schafft ihr es aber, diese Herausforderungen zu meistern, werdet ihr durch ein abwechslungsreiches und spannendes Daily-Format belohnt.
Das Daily ist kein Meeting, um Probleme zu lösen. Probleme oder Hindernisse werden zwar angesprochen, die eigentliche Lösungsfindung erfolgt aber im Anschluss mit den erforderlichen Teilnehmenden. Natürlich wollen wir die Teams auch nicht ausbremsen und häufig findet sich nach dem Daily kein kurzfristiger Termin, um Probleme in kleinerer Runde zu klären. In diesem Fall empfehlen wir ein standardmäßiges Problemlösungs-Meeting direkt im Anschluss an das Daily. Dieses Meeting ist umso effizienter, wenn die Agenda – also eine Liste der Probleme bzw. Hindernisse, die besprochen werden – im Voraus feststeht, damit die Teammitglieder selbst entscheiden können, ob sie im Meeting gebraucht werden. Analog dazu kannst du ein solches Anschlussmeeting einführen, wenn im Team der Wunsch besteht, mehr über technische Themen zu reden.
In Homeoffice-Zeiten fehlt vielen der soziale Austausch mit Arbeitskolleg:innen, weshalb das Daily zunehmend als Raum für den morgendlichen Tratsch in der Kaffeeküche verwendet wird. Sozialer Austausch ist keineswegs schlecht und sehr wichtig für das Teambuilding. Er sollte aber nicht im Daily erfolgen. Ich als ScrumMaster öffne den virtuellen Raum für das Daily daher bereits eine viertel Stunde früher und lade alle Teammitglieder ein, ganz nach Belieben früher zu erscheinen, um sich über private Themen zu unterhalten oder einfach nur gemeinsam einen Kaffee zu trinken. Dieser Kaffeeklatsch ist freiwillig und im Anschluss kann sich das Team vollständig auf die inhaltlichen Themen im eigentlich Daily konzentrieren.
Wenn alle Anstrengungen keine Früchte tragen und das Daily weiterhin zu Unzufriedenheit bei den Beteiligten führt, dann kannst du als ScrumMaster das Team in die Verantwortung ziehen. Das Team selbst oder einzelne Teammitglieder können sich das Daily-Dilemma als Aufgabe ziehen und einen eigenen Vorschlag zur Gestaltung des Meetings machen. So können die Teammitglieder das Meeting so ausführen, wie sie es für richtig halten.
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