Scrum vs. Kanban: Eine kritische Reflexion jenseits der Methoden

Wo kann Scrum punkten?

Im Kontext agilen Managements zählen Scrum und Kanban mittlerweile zuetablierten Vorgehensweisen. Trotz ihrer weitreichenden Verbreitung besteht jedoch zunehmend das Risiko einer zu dogmatischen Anwendung beider Methoden.

Scrum punktet anfänglich besonders durch seinen klar definierten Rahmen und eindeutige Rollenverteilungen. Vor allem für Teams, die

wenig Erfahrung mit Selbstorganisation haben, liefert Scrum notwendige Orientierung und Struktur. Die anfängliche Diskussion über die Rollen schafft Klarheit, dass die Aufgaben, die diese Rollen übernehmen, in den meisten Teams bislang fehlten. Oder die klare Strukturierung durch Meetings mit klarem Zweck zwingt die Teams dazu, die richtigen Fragen zu stellen. Die dadurch etablierten Management-Patterns entfalten schnelleine positive Wirkung.

Doch genau diese klare Struktur kann sich langfristig, nach einigen Monaten, auch negativ auswirken: Wenn Scrum zu einer universellen Lösung erklärt und von unerfahrenen Scrum Mastern zu streng interpretiert wird, entstehen oft starre, bürokratische Prozesse. Meetings werden verbessert, anstatt die Produktivität belastenden Probleme anzugehen. Hier verlieren Teams den eigentlichen Sinn der Meetings aus den Augen und konzentrieren sich eher auf methodische Vorgaben als auf tatsächliche Problemlösungen – etwa, indem sie statt der Einbindung des End-Users ins Review nur darüber nachdenken, wie man das Review interessanter gestalten könnte. Diese Bürokratisierung reduziert die ursprünglich angestrebte kreative Entfaltung des Teams erheblich.

Was macht Kanban aus?

Kanban dagegen stammt ursprünglich aus dem Lean Manufacturing und betont die inkrementelle Verbesserung von Prozessen. Es konzentriert sich insbesondere auf die Optimierung von Arbeitsflüssen und das Erkennen sowie Beheben von Engpässen. Auf den ersten Blick bietet Kanban deutlich mehr Flexibilität, weil keine festen Rollen oder Rhythmen vorgegeben sind. Doch gerade diese Offenheit kann sich als problematisch erweisen: Ohne bewusste Disziplin und klare Führung besteht das Risiko, dass Kanban lediglich zu einer reinen Aufgabenverwaltung verkommt. Viele Organisationen investieren in ausgefeilte Kanban-Boards und teure Tools, setzen aber die notwendigen organisatorischen Veränderungen nicht um, wodurch letztendlich der erhoffte Nutzen verpufft – häufig erkennt der Kanban-Master gar nicht, woran es dem Team tatsächlich fehlt.

Hinzu kommt, dass die kontinuierliche Optimierung und der Fokus auf einen ständigen Flow eine intensive Selbstdisziplin sowie eine kontinuierliche Reflexion von Teams und Führungskräften verlangen – das ist harte Arbeit, für die sich Teams und Management bewusst Zeit nehmen müssen. Dies wird oft unterschätzt und führt zur Vernachlässigung wichtiger organisatorischer Prozesse.

Butter bei die Fische: Wo liegen die Hauptunterschiede von Scrum & Kanban?

Ein weiterer zentraler Unterschied liegt im theoretischen Ursprung beider Methoden: Scrum basiert stark auf den Konzepten des Wissensmanagements nach Nonaka und Takeuchi. Agilität wird hier nicht primär durch Prozessoptimierung, sondern durch gezielte Wissensgenerierung und den aktiven Wissensaustausch innerhalb des Teams erreicht. Kanban hingegen betont stärker die kontinuierliche Prozessverbesserung. Während Scrum Innovation und kollektive Wissensbildung fördert, konzentriert sich Kanban auf die Optimierung bestehender Abläufe.

Wie kommt man gemeinsam zum Erfolg?

Aus der Praxis bei borisgloger consulting wissen wir, dass fünf wesentliche Erfolgsfaktoren den Einsatz agiler Methoden maßgeblich beeinflussen: eine starke Vision, cross-funktionale Teams, konsequenter Kunden- und Nutzerfokus, klare Rahmenbedingungen sowie ein testbasiertes Vorgehen. Ein Beispiel für die erfolgreiche Anwendung von Scrum ist die Organisation der Millerntor Gallery durch Viva con Agua ARTS, bei der das Scrum-Framework entscheidend zur Strukturierung und erfolgreichen Durchführung beitrug. Teams, die diese Erfolgsfaktoren umsetzen möchten, können sowohl von Scrum als auch von Kanban profitieren.

Entscheidend für den Erfolg ist deshalb weniger die gewählte Methode als vielmehr die Art und Weise, wie Führung und Teams diese Methoden in der Praxis interpretieren und leben. Statt einer dogmatischen Haltung zur Methode ist daher ein bewusster, methodenübergreifender Ansatz empfehlenswert, bei dem situativ und reflektiert entschieden wird. Allerdings erfordert dies eine profunde Kenntnis mindestens einer der Methoden. (Lerne jetzt Scrum bei uns im Kombitraining.)

Fazit

Schlussendlich zeigt sich deutlich: Echte Agilität entsteht nicht allein durch die Auswahl einer Methode, sondern durch die kontinuierliche Hinterfragung, Anpassung und den situativ passenden Einsatz dieser Methoden. Scrum und Kanban sind dabei nur zwei von vielen möglichen Ansätzen – es gibt noch viel mehr zu entdecken und zu lernen.

Für alle, die mehr lesen und stöbern möchten, klickt euch doch einfach durch unsere Wissensecke. Da gibt es viele Artikel über verschiedene Methoden. Auf unserer Website findest du auch einen Überblick aller Trainings, die wir zu diesem Thema anbieten. Viel Spaß!

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BG
March 10, 2025

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