In Teil 1 unserer Blog-Reihe haben wir über das Trainieren des Fokus-Muskels als eine achtsame Praxis geschrieben, nur EINE Sache zu EINER Zeit zu machen. Das gilt auch fürs Zuhören!
„Ja, klar“, denken Sie vielleicht, „wenn ich jemandem zuhöre, mache ich doch sowieso nichts anderes als zuzuhören.“ Aber ist das wirklich wahr? Haben Sie sich selbst schon einmal „innerlich beobachtet”, wenn Sie sich mit jemanden unterhalten? Oft ist es so, dass wir während des Zuhörens bereits überlegen, was wir erwidern wollen. Damit sind wir nicht bei unserem Gegenüber, sondern bei uns selbst. Achtsam zuzuhören bedeutet, mit ungeteilter Aufmerksamkeit beim Gegenüber zu sein und das Gehörte ohne eigene Interpretationen aufzunehmen. Sonst gehen wir stärker auf unsere Bedürfnisse ein als auf die unseres Gegenübers.
Niko berichtet aus eigener Erfahrung: „In einem Kundengespräch präsentierten wir stolz unsere Lösung, in die wir viel Arbeit gesteckt hatten, nachdem wir die Anforderungen unseres Kunden vermeintlich verstanden hatten. Die von uns entwickelte Lösung hatte nämlich schon vielen Kund:innen geholfen, ihre Probleme zu lösen. Der Termin lief jedoch nicht wie von uns erwartet. Denn bereits nach kurzer Zeit nahm ich eine gewisse Unruhe bei unseren Zuhörer:innen wahr und fragte, ob es Fragen oder Unklarheiten gäbe.
Die gab es: Wir hatten die tatsächlichen Bedürfnisse unseres Kunden nicht verstanden. Zum Glück konnten wir das durch die Körpersprache erkennen und einlenken. Nachdem wir nun wussten, was nicht die richtige Lösung war, konnten wir nochmals in den Dialog gehen, aufmerksam zuhören und nachfragen, welche Bedürfnisse unser Kunde wirklich hatte und darauf reagieren. Das ging nur, weil wir die Ohren und Augen offenhielten, selbst als wir mit unserer Lösung schon sehr zufrieden waren – aber die Kundenvertreter:innen eben noch nicht.”
Je besser ich wahrnehme, was mein Gegenüber wirklich sagt – auch zwischen den Zeilen –, desto passender kann ich darauf eingehen und desto besser wird unsere Gesprächsbasis.
Das ist für jede Kommunikation wichtig, doch im Speziellen in Führungssituationen, Team-Meetings und in der Zusammenarbeit mit Kund:innen.
Es ist nicht ungewöhnlich, dass wir – obwohl es äußerlich so aussieht, als ob wir unserem Gegenüber zuhören – innerlich schon abschweifen und gedanklich ganz woanders sind. Seien Sie ruhig ehrlich und fragen Sie nochmal nach, wenn Sie merken, dass Sie abschweifen. Denn Ihr Gegenüber wird schnell merken, dass Sie nicht aktiv zuhören. Suchen Sie sich jemanden, mit dem Sie diese praktische Übung durchführen möchten, z. B. ein:e Freund:in oder ein Familienmitglied.
Vermutlich werden Sie schon jetzt etwas über Ihr eigenes Zuhören gelernt haben. Wenn Sie die Übung mit vertauschten Rollen wiederholen, werden Sie selbst erfahren, wie es sich anfühlt, wenn Ihnen aufmerksam zugehört wird. Auch das wird Ihre Fähigkeit des achtsamen Zuhörens noch einmal schärfen.
Wenn Sie sich nun vornehmen, ein:e gute:r Zuhörer:in zu sein, setzen Sie sich in jedem Meeting oder jedem Gespräch den „Vorsatz”, Ihrem Gegenüber zuzuhören, ohne gleich etwas zu erwidern, und beobachten Sie sich dabei selbst: Was passiert in Ihrem Kopf? Denken Sie schon darüber nach, was Sie erwidern möchten? Oder sind Sie schon ganz woanders? Schon beim nächsten Meeting oder bei den weiteren To-dos des Tages? Sobald Sie merken, dass Sie abschweifen, lenken Sie Ihren Fokus wieder auf Ihr Gegenüber und trainieren Sie so Ihren Fokus-Muskel.
Ein trainierter Fokus-Muskel und achtsames Zuhören sind die Basis für gute Beziehungen. Auf dieses Thema werden wir in Teil 3 dieser Blog-Reihe eingehen. Seien Sie gespannt!
Wie trainiere ich meinen Fokus-Muskel? Agilität & Achtsamkeit #1
Achtsames Zuhören und Wahrnehmen – Agilität & Achtsamkeit #2
Titelbild: Andrea Piacquadio, Pexels