Die Remote-Arbeit wird auf absehbare Zeit bestehen bleiben. Da viele Unternehmen angekündigt haben, ihre Richtlinien für die Arbeit von zuhause aus mindestens bis zum Ende des Jahres zu verlängern, ist klar, dass dies nicht nur ein vorübergehender Trend ist. Es ist zur Normalität geworden, dass Beraterin und Kunde sich nicht mehr in modernen Büros treffen und dabei stets schick gekleidet sind. Jetzt holen sich die Kunden quasi den Berater oder die Beraterin nach Hause ins Wohnzimmer, wenn auch nur auf den heimischen Bildschirm. Was für neue Regeln gelten dabei? Wie treten Berater und Beraterinnen auch auf Distanz gleichzeitig professionell und empathisch auf? Welche zusätzlichen Skills brauchen sie?
Die Beratung und Begleitung von Change auf Distanz sind in wesentlichen Punkten anders. Im ersten Teil #1 neue Rollen und Verantwortlichkeiten haben wir darüber berichtet, was man bei der Remote-Einführung und dem Befähigen für neue Rollen beachten sollte, im zweiten und dritten Blogartikel haben wir uns mit der Fragestellung beschäftigt, wie man in der agilen Transformation neue Arbeitsmodelle mit Meetingstrukturen aufsetzt und praktische Tipps zu „Handwerkszeug“ (Artefakten) mitgegeben. In Teil 4 haben wir unsere Erfahrungen geteilt, wie es gelingen kann, das so wichtige Element einer Transformation, die Unternehmenskultur, auch im Remote-Modus zu verstehen.
In diesem Teil geht es um die Fähigkeiten, die Beraterinnen und Berater im Remote-Modus besonders brauchen. Um in einer Remote-Arbeitsumgebung erfolgreich bei Kunden wirken zu können, müssen sich Berater und Beraterinnen um ihr Remote-Auftreten kümmern.
Das richtige Auftreten beginnt bei der Kleiderwahl. Unser Motto bei borisgloger consulting ist stets: Wir wollen immer etwas besser gekleidet sein, als der Kunde oder die Kundin es erwartet. Damit drücken wir Wertschätzung aus und verleihen unserer Professionalität Ausdruck. Wenn wir uns vor Ort treffen, dann in einer professionellen Umgebung, meistens in einem Büro. Uns Berater und Beraterinnen begegnen unsere Kunden und Kundinnen dann meistens im Anzug oder Kostüm. Zur Begrüßung werden Hände geschüttelt und nette Worte gewechselt. Das ist wichtig für die Professionalität und Glaubwürdigkeit. Damit Berater und Beraterinnen sich remote professionell präsentieren, sind auch über die Distanz Auftreten, Kleidung und der Umgang wichtig. Wir wollen als Personen wahrgenommen werden, die sich auf das Kundenunternehmen einlassen, denen man vertrauen und auf die man sich verlassen kann.
Sie mögen zu Hause sein, aber wie Sie sich kleiden, bestimmt, wie Sie wahrgenommen werden. Kleiden Sie sich daher professionell. Die Definition von "professioneller Kleidung" ist schwierig zu definieren. Aber eine einfache Faustregel ist, sich zu fragen: "Würde ich das bei der Arbeit tragen?" Wenn die Antwort nein ist, ist es auch bei einer Videoberatung nicht angemessen
Kleiden Sie sich dennoch den Umständen entsprechend. Ihr Gegenüber wird es Ihnen schwer abkaufen, wenn Sie mit Hemd und Schlipps im Homeoffice sitzen. Noch schlimmer: Es könnte ihm oder ihr unangenehm sein, wenn er oder sie deutlich legerer gekleidet ist. Sich in seiner Kleiderwahl den Kunden anzupassen, zeugt von Empathie. Niemand möchte einen Berater im Anzug zuhause im Wohnzimmer haben, während man selbst ein Poloshirt trägt.
Die persönliche Kommunikation läuft nun vor allem über Telefon- und Videokonferenzen. Diese haben einen Nachteil: Sie klammern die nonverbale Kommunikation aus. Dabei bestimmen Mimik und Gestik täglich unser Zusammenleben und damit auch alle sozialen Kompetenzen. Nur per Telefon oder Chat zu kommunizieren, führt zu einem Verlust von genau diesen beiden so wichtigen Kommunikationskanälen. Denn auch ein Blick oder eine Geste ist eine Antwort. Man kann nicht nicht antworten. Deshalb funktioniert in Remote-Besprechungen übrigens der Sprecherwechsel oft nicht so gut, und man fällt sich ständig ins Wort: Das Wechseln des Sprechers ist ein Vorgang, der eigentlich nonverbal läuft. Mit Mimik und Gestik, mit Luftholen, Vorbeugen des Oberkörpers, Heben der Hand signalisiert man: "Jetzt möchte ich was sagen!", und die anderen stellen sich darauf ein.
Berater und Beraterinnen sollten versuchen, Gespräche so natürlich und so "unvirtuell" wie möglich erscheinen zu lassen. Der kontrollierte Einsatz von Mimik und Gestik ist dafür eine wichtige Grundlage. Nutzen Sie so häufig wie möglich die Videofunktion. Achten Sie darauf, dass Ihr Gesicht deutlich zu sehen ist. Noch besser: Wir führen gerne jedes Meeting im Stehen durch. Der Vorteil: Die Körpersprache wird stärker miteinbezogen, in dem wir mehr mit unseren Händen gestikulieren. Dazu wirkt ein sicherer Stand selbstsicher und lebendig. Das schafft zum einen Vertrauen und zum anderen lässt es uns menschlicher wirken. Empathie zwischen uns und unserem Gegenüber kann so – auch auf Distanz – aufgebaut werden. Tipps für den Umgang mit der sogenannten „Zoom-Müdigkeit“ hat ein Kollege gesammelt.
Im Meeting warteten wir heute noch auf Nachzügler. Wir waren alle stummgeschaltet und beschäftigten uns anderweitig. Wir verhielten uns also ganz anders, als wir es in einem Meeting vor Ort gemacht hätten. Dann fragte eine Kollegin im Chat alle Teilnehmenden: „Wollen wir nicht small-talken“. Das erste Mikro ging an, mit Gelächter und dem Kommentar: „Fang doch an.“ Ein anderer Teilnehmer sagte: „Also ich sitze auf der Terrasse, es hat gerade über 20 Grad.“ Eine Dritte sagte: „Wartet bitte, das mache ich auch. Moment, ich bin gleich draußen.“ Auch wenn die Uhren remote und im eigenen Heim manchmal anders ticken und hier zwei auf der Terrasse und nicht am Schreibtisch saßen, war es ein hochproduktives Meeting.
Vieles ist neu und das ist ok. Insbesondere bei Online-Workshops und -Meetings entsteht schnell das Gefühl, dass man mit einem Computer spricht. Fragen stehen oft im luftleeren Raum, zusätzliche Störfaktoren, z. B. technische, kommen hinzu. Während Gesprächspausen in persönlichen Terminen dank weiterer Kommunikationskanäle wie Mimik und Gestik nicht als Problem wahrgenommen werden, sind längere Pausen in Online-Meetings verwirrend und auch anstrengend. Selbst eine Stille von nur 30 Sekunden kommen einem vor wie 5 Minuten. Des Weiteren werden Sie feststellen, dass sich einige Teilnehmende in Online-Meetings mit ihren Kommentaren zurückhalten. Dies kommt selbstverständlich auch in persönlichen Terminen vor. Allerdings liegt es gerade bei Online-Meetings nahe, dass die Person irgendeiner anderen Thematik nachgeht und parallel nicht zuhören kann. So wird ein wertvoller „Mitdenker“ eventuell abgehängt.
Wir haben schnell gemerkt, dass wir Fragen anders stellen müssen, Meetings noch mehr Struktur brauchen und wichtige soziale Komponenten, wie zum Beispiel Small Talk, wegfallen. Wichtig ist es also, dass Berater und Beraterinnen soziale Remote-Fähigkeiten aufbauen, um souverän durch Online-Workshops und -Meetings zu führen.
Wie jedes Meeting benötigt auch ein Online-Meeting einen Moderator oder eine Moderatorin, der oder die das Gespräch führt. Er oder sie sorgt für die Überbrückung der Gesprächspausen, für die Struktur und eine aktive Einbindung der Teilnehmenden.
Wenn Sie ein Meeting moderieren, erstellen Sie eine klare Agenda, benutzen Sie Online-Tools wie Miro oder Mural, um Ihre Inhalte bildlich darzustellen und die Teilnehmenden zum Mitmachen zu bewegen (erfahren Sie hier mehr über die geeigneten Artefakte). Wir verwenden auch gerne die Kreisarbeit, um sicherzustellen, dass alle Teilnehmenden etwas sagen können und niemand das Gespräch alleine dominiert. So vermeiden Sie, dass sich einzelne Mitglieder der Besprechung anderweitig beschäftigen, weil sie ohnehin nicht zu Wort kommen.
Sie werden sehen, dass mit einigen Regeln auch in einer aktuell vornehmlichen Online-Welt die soziale Kompetenz nicht auf der Strecke bleiben muss. Vielmehr kann es durch die neue Normalität einen wahren Schub für erweiterte kognitive Fähigkeiten geben. Denken Sie an den Blinden, der andere Sinne nutzt, um seine Umwelt wahrzunehmen.
Mit diesen professionellen Einstiegen fällt es auch remote leicht, Beziehungen aufzubauen und einander auf authentische Weise zu begegnen. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass es remote sogar einfacher ist, über Äußerlichkeiten hinwegzusehen. Dann geht es nur noch um Inhalte.
Was sind Ihre Erfahrungen in der Einführung oder Begleitung von Transformationen im Remote-Modus? Schreiben Sie uns gerne Ihre Gedanken und Kommentare.
1. Teil der Reihe: “Transformations-Beratung im Remote-Modus #1: neue Rollen & Verantwortlichkeiten vermitteln“
2. Teil: “Transformationsberatung im Remote-Modus #2: Meetingstrukturen einführen“
3. Teil: “Transformationsberatung im Remote-Modus #3: Artefakte einführen“
4. Teil: "Transformationsberatung im Remote-Modus #4: die Unternehmenskultur verstehen"
5. Teil: "Transformationsberatung im Remote-Modus #5: der perfekte Auftritt"