Wenn partnerschaftliche Zusammenarbeit in Bauprojekten funktionieren soll, dann braucht es neue Rollen und geteilte Verantwortung im gesamten Projektteam, sodass ein echtes Miteinander möglich wird. Sonst bleibt altes Silodenken bestehen und jede Partei entscheidet und optimiert weiterhin nur lokal für sich selbst und dann haben wir automatisch das berüchtigte Gegeneinander in der Baubranche.
Wir alle kennen Bauprojekte, bei denen die Projektleitung mit Unterstützung der Projektsteuerung darum kämpft, den Bauprozess im Griff zu behalten. Da aber die Projektsteuerung gerade dadurch groß geworden ist, dass die einzelnen am Projekt beteiligten Unternehmen gegeneinander arbeiten, und die Projektleitung bisher den Projekterfolg im Alleingang gegen Planer und ausführende Unternehmen schultern musste, teilen wir in einem partnerschaftlichen Ansatz die Leitungsverantwortung auf mehrere Rollen auf. Durch die Verteilung der Projektleitungsfunktionen und die Schaffung klarer Verantwortlichkeiten im Zusammenspiel der einzelnen Rollen entsteht eine wichtige Grundlage für den Erfolg partnerschaftlicher Zusammenarbeit, gerade bei Modellen wie der Integrated Project Delivery (IPD) bzw. der Integrierten Projektabwicklung (IPA).
Die Rollen werden nicht von einzelnen Personen oder Unternehmen ausgefüllt. Es handelt sich stets um Teams bzw. Zusammenschlüsse unterschiedlicher Spezialisten, die gemeinsam den Querschnitt der alten Rollen spiegeln:
Diese Rollen haben Bestand für alle Phasen der Immobilienprojektentwicklung – von der Initiierung über die Konzeption, Vermarktung und Realisierung bis hin zum Betrieb der Immobilie. Die Besetzung der jeweiligen Teams ändert sich im Verlauf der Phasen, nicht jedoch deren Verantwortung.
Das Realisierungsteam hat eine klar definierte Lieferleistung: fertige, funktionierende, gut aufeinander abgestimmte, mängelfreie Lösungen. Das, was normalerweise viel Kraft und Geld kostet beim Bauen und ohne Ende Ressourcen bindet, ist jetzt die Verantwortung des gesamten Realisierungsteams. Es hat ausschließlich zum Ziel, die Nutzer zufrieden zu stellen. Es denkt und arbeitet aus der Sicht des Nutzers. Das Immobilienentwicklungsteam kann sich auf das Realisierungsteam verlassen, weil dieses die nutzerorientierte Sicht verinnerlicht hat.Im klassischen Bauen lässt der Auftraggeber eine fertige Planung und Ausschreibung erstellen, die als Vorgabe für das Realisierungsteam dient. Neu ist, dass das Realisierungsteam die Herausforderungen und die Anforderungen selber formuliert und priorisiert. Es werden keine Annahmen mehr darüber getroffen, welche Lösungen den Nutzern wohl am besten gefallen, sondern gefragt, warum die Nutzer überhaupt eine Lösung brauchen. Der Freiraum für das Realisierungsteam ist viel größer. Das geht deshalb, weil das Realisierungsteam als echter Partner und nicht mehr als Gegner agiert und behandelt wird. Dadurch hat das Immobilienentwicklungsteam Kapazität und Verantwortung gewonnen und kann sich darauf konzentrieren, dass überhaupt das richtige gebaut wird und die Anforderungen der Stakeholder richtig priorisiert werden.Damit aus dem Zusammenspiel zwischen Immobilienentwicklungsteam und Realisierungsteam ein echtes integriertes Projektteam wird, braucht es die Zusammenarbeitsmanager. Die machen möglich, dass alte eingetretene Pfade beim Bauen tatsächlich verlassen werden und die neuen Rollen wirklich gelebt werden.
Alle diese Rollen gilt es zu besetzen, damit eine Integrierte Projektabwicklung ein Erfolg wird. Es ist versteht sich von selbst, dass jede Rolle mit zunehmender Größe des Bauprojektes von einer zunehmenden Vielzahl an Teams ausgefüllt wird. Jedes einzelne Mitglied dieser Teams muss in die Rolle hineinfinden. Dazu braucht es Befähigung und Veränderung, aber auch Mut, Zuversicht, Ausdauer, Respekt, Offenheit, Commitment und ganz viel Fokus. Die einzelnen am Projekt beteiligten Unternehmen müssen ihre Hausaufgaben machen, aber letztlich müssen alle zusammen gut funktionieren. Damit das Zusammenspiel bei der Integrierten Projektabwicklung funktioniert, kommt es darauf an, die neuen silo-übergreifenden Rollen anzunehmen. Damit ist der Weg frei, kleine und große Bauprojekte genauso erfolgreich zu realisieren, wie es in der Software-Entwicklung schon lange gelingt.
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