Die COVID-19-Krise ist auch an unserem Unternehmen nicht spurlos vorbeigezogen. In den letzten Tagen hatte es höchste Priorität, uns an die Situation anzupassen, um weiter für unsere Kunden da sein zu können und uns als Menschen gegenseitig durch die Krise zu helfen. Ich wollte mir bewusst aber auch einen Moment Zeit nehmen, um meine Gedanken zur Führung in solchen Zeiten niederzuschreiben.Das exponentielle Wachstum dieser Pandemie erfordert ein extrem schnelles und konsequentes Reagieren. Was gestern noch sinnvoll erschien, kann heute oder spätestens morgen als völlig überholt gelten. Am 13. März wollten wir unsere Agile-Coach-Ausbildung unter strengen Sicherheitsvorkehrungen (genug Abstand usw.) diese Woche noch stattfinden lassen. Wir hatten diese Ausbildung so lange geplant und vorbereitet – die Vorfreude war riesig. Dann ging es Schlag auf Schlag. Freitagabend plagten uns schon die ersten Gedanken, ob wir die Durchführung wirklich riskieren sollten. Samstagvormittag gab es einen letzten Abstimmungs-Call und die Entscheidung, das Modul abzusagen und die Teilnehmer telefonisch zu informieren. Samstag abend wurde mein Flug für Sonntag abgesagt und Deutschland verkündete eine Einreisebeschränkung aus Österreich für nicht-deutsche Staatsbürger. Selbst wenn ich es gewollt hätte, hätte ich nicht mehr einreisen dürfen. Zwischen der geplanten Durchführung und dem Einreiseverbot lagen nicht einmal mehr als 36 Stunden.
Warum erzähle ich euch das? Ich denke, viele von uns haben sich in einer ähnlichen Situation wiedergefunden. Als Führungskraft ist man mit einer wahren Entscheidungsflut konfrontiert: Ständig muss man den wirtschaftlichen Aspekt, die Gesundheit anderer Menschen und viele weitere Faktoren abwägen. Aufschieben ist unmöglich, Reaktion und Entscheidungen sind sofort gefordert. Das ist anstrengend und kann uns überfordern.Es gilt, einen kühlen Kopf zu bewahren und die Sorgen und Ängste zur Seite zu schieben. Ich bin tief überzeugt, dass jede Krise eine Chance ist. Sie birgt die Möglichkeit zu hinterfragen, wie sehr das Unternehmen und ich als Privatperson von einem voll funktionierenden Wirtschaftssystem abhängen. Habe ich genug Resilienz aufgebaut, ist mein Geschäftsmodell diversifiziert genug, oder habe ich zu viel auf eine Karte gesetzt?Ein Beispiel: borisgloger consulting war in den letzten Jahren stark auf die Arbeit vor Ort bei unseren Kunden konzentriert. Nicht ohne Grund: Wir sind überzeugt, dass die Arbeit von Angesicht zu Angesicht einen unbezahlbaren Wert liefert, der für eine effektive und effiziente Produktentwicklung genutzt werden sollte. Ausnahmen wie Projekte und Firmen, deren Experten über die Welt verstreut sind, bestätigen die Regel und auch diese haben wir natürlich begleitet. Das hat aber den kleineren Teil unserer Aufträge ausgemacht. Dass auch die Mitarbeiter unserer nun hauptsächlich im Homeoffice arbeiten, trifft auch uns hart, weil wir es eben anders gewohnt sind und uns schnell in einem neuen Umfeld zurechtfinden müssen. Gut, dass wir es zumindest aus unserem eigenen Unternehmen gewohnt sind, viele Meetings und Abstimmungen virtuell durchzuführen. Aus unserem Zusammenhalt entsteht gerade so viel Elan und Eigenmotivation, Dinge auch in diesen schwierigeren Zeiten anzupacken und vorwärts zu bringen. Wir versuchen aktuell intensiv, für unsere Kunden und betreuten Teams einfach da zu sein – was einfacher klingt, als es ist. Zur Seite zu stehen und Führung zu übernehmen, um Struktur und Sicherheit zu geben, diese Hilfe können wir gerade aus der Ferne anbieten. So leisten wir unseren Beitrag, um das Wirtschaftsleben weiterlaufen zu lassen, damit es sich nach dieser Krise schneller erholen kann.
Die Situation hat uns bei aller Hektik aber auch sofort gezeigt, wo für uns die Chancen liegen. Seit mehreren Wochen arbeiten wir beispielsweise am Prototyp für ein e-Learning-Produkt, das unser physisches Trainingsangebot ergänzen soll. Diese Krise zeigt auf, wie wichtig solche Alternativen sind und bekräftigen uns in dem Weg, den wir eingeschlagen haben. Gerade durch die ausschließlich Remote-Arbeit und -Kommunikation lernen wir in kurzer Zeit ungeheuer viel dazu. An viele Details hätten wir ohne diese Lage wahrscheinlich nicht gedacht. Ein weiteres Beispiel sind die Dokumentenwege, die in unseren Operations-Prozessen noch nicht durchgehend digitalisiert sind. Unter normalen Umständen haben wir oft weggeschaut und den Mehraufwand für Scans in Kauf genommen. Jetzt wegen jeder Kleinigkeit ins Office zu fahren, ist gerade nicht möglich.Das sind nur kleine Beispiele, die aber klar machen sollen: Neben dem aktuellen Krisenmanagement müssen wir den Blick auch nach vorne richten. Getreu dem Deming Cycle sollten wir die Reflexion auch in dieser Situation nicht zu kurz kommen lassen.Mein Aufruf an alle da draußen lautet also: Seid füreinander und vor allem für eure Teams und Mitarbeiter da. Helft Partnern, Lieferanten, Kunden oder sonstigen Interessengruppen, ebenfalls gut durch diese Zeit zu kommen und zeigt euch großzügig. Gemeinsam können wir jetzt so vieles lernen, was uns nach COVID-19 helfen wird. Denkt nicht nur an das aktuelle Krisenmanagement, sondern auch an das, was euch diese Krise lehrt und an Chancen bietet.Foto: Pixabay license, LoboStudioHamburg