Da sich inzwischen immer mehr Unternehmen mit agilem Arbeiten beschäftigen, kommen auch immer mehr Revisionsabteilungen auf mich zu, um mich zu fragen, ob agiles Arbeiten auch im Audit möglich ist. Ja, ob sie es vielleicht gar einmal ausprobieren sollten. Ich sage: Warum nicht?Mit agilem Arbeiten zu starten, ist einfacher, als es sich viele vorstellen. Allerdings verlangt es ein Minimum an Disziplin bei der Durchführung. Doch an Disziplin – daran sollte es bei einem Audit doch nicht scheitern, oder?
Wählt als erstes Audit, das ihr agil angehen möchtet, eine Prüfung mit überschaubarem Scope. Also keinen zu großen Revisionsumfang. Es sollte zudem keine Standard-Prüfung sein, die ihr schon 100 Mal gemacht habt, sowie kein Thema, das unter hoch regulatorischen Bedingungen geprüft wird oder zu welchem es schon ein ausführliches, vorgegebenes Arbeitsprogramm gibt. Solche „fixen" Scopes führen nämlich oft dazu, dass die Aufgabenfestlegung und deren Aufteilung im Team zu schnell in bereits bekannten Bahnen laufen. Damit gibt es keine echte Team-Zusammenarbeit.Bei eurem ersten agilen Audit sollte es sich am besten um eine Prüfung handeln, in der verschiedene Expertisen und mehr als drei Experten benötigt werden. Denn bei interdisziplinärer Zusammenarbeit ist der Nutzen von Agilität am größten.Die Prüfungsdauer sollte festgelegt sein (arbeitet mit einer festen Timebox!) und einen Zeitraum von zwei bis drei Monaten nicht überschreiten. Das wäre optimal.
Ein bis zwei Tage Schulung sollten reichen, um die Basics des agilen Arbeitens – die Prinzipien, Rollen, Meetings, Artefakte und Praktiken – zu vermitteln und zu einer gemeinsamen „agilen“ Sprache zu kommen. Mehr als die Grundlagen braucht ihr nicht, um zu starten. Das richtige Verständnis kommt sowieso erst durchs Tun. Oder anders gesagt: Übung macht den Meister!Nachdem du und deine Kolleginnen und Kollegen verstanden haben, um was es geht, könnt ihr euch auf die Suche nach Freiwilligen machen (ja, ich habe freiwillig gesagt und genauso ist es gemeint), die sich als Pioniere daran wagen, dieses neue Vorgehen zu erkunden.Sucht euch jemanden, der die Rolle des ScrumMasters freiwillig (!) übernimmt, zum Beispiel ein Kollege, der Agilität besonders schätzt, der besonders reflexionsfähig sowie lösungs- und verbesserungsorientiert ist. Er oder sie sollte vor allem auf die Prozesse achten, während die anderen Kollegen sich auf die Lieferung fokussieren.
Schaut zu, dass euer Team für den Pilot-Audit co-located ist, also alle gemeinsam am selben Ort arbeiten, und ihr einen Team-Raum bekommt. Über de-located Teams, also über Teams, bei denen die Mitglieder an verschiedenen Orten sitzen, werde ich ein anderes Mal schreiben. Da ihr aber gerade erst mit dem agilen Arbeiten im Audit beginnt, empfehle ich, co-located zu starten. So könnt ihr besser voneinander lernen.Dann geht es darum, das Arbeitsmodell aufzusetzen. Als Arbeitsmodell bezeichne ich den Grundrahmen für die Teamarbeit; also wie ihr innerhalb des Teams, aber auch mit den anderen Stakeholdern wie Management oder der zu prüfenden Einheit oder dem zu prüfenden Projekt/Produkt zusammenarbeiten wollt.Ich habe bereits erwähnt, dass ihr eine feste Timebox für eure Prüfung definieren solltet. Wichtig ist dabei, die Taktung festzulegen, in der ihr eure Ergebnisse vorstellt und besprecht. Das ist der Herzschlag eures agilen Audits. Für alle, die noch wenig Erfahrung mit der agilen Arbeitsweise haben, empfehle ich kurze Iterationen oder Sprints, am besten mit Dauer von einer Woche. Ihr könnt damit fokussiert arbeiten und bekommt schnell Feedback auf eure Lieferung oder auf eure Arbeitsweise; zum Beispiel beim Review oder bei der Retrospective.Innerhalb der einzelnen Timeboxen oder Sprints solltet ihr ein paar Rituale festlegen, die der Fokussierung des Teams dienen und die Lieferung garantieren. Ich würde mich auf folgende Meetings fokussieren: ein Start-Scope-Workshop mit dem gesamten Team und dann für alle Sprints ein Sprint Planning, ein Daily Stand-up (tägliche Team-Planung) sowie Review und Retrospective. Dazu würde ich folgende Artefakte nutzen: Taskboard, Backlog, Roadmap (so habt ihr die gesamte Prüfung im Überblick).So kann es aussehen:
Wichtig ist, dass die Rollen klar sind. Bei agilem Arbeiten hält das Team die zentrale Rolle inne. Doch was bedeutet dies genau? Welche Verantwortung ist damit verbunden? Welche Rolle kommt dem Prüfungsleiter, welche dem ScrumMaster und welche dem Management bei diesem Vorgehen zu? In meinen kommenden Beiträgen werde ich detaillierter darlegen, wie man diese Meetings durchführt und worauf ihr achten müsst.
Agil bedeutet, sich auf die Lieferung zu fokussieren und nicht auf die Aufgaben oder das Abarbeiten von Aufgaben. Natürlich hilft euch agiles Vorgehen dabei, eure Aufgaben zu organisieren – aber immer im Hinblick auf das Liefern eines guten Inkrements, auf die Endlieferung. Achtet während des Sprints darauf, dass jedes Teammitglied seine täglichen Aufgaben transparent macht und seine täglichen Erkenntnisse mit dem gesamten Team teilt.Am Ende eines jeden Sprints sollte das gesamte Team in der Lage sein, sich zur festgelegten Risikobetrachtung zu äußern, also einen sogenannten Point of View auszusprechen sowie ihre erste Betrachtung (early observations) darzustellen. Diese Einschätzungen sind die Zwischenschritte bis zum Endreport, den inkrementellen Lieferungen. Darüber wird im Review mit den Stakeholdern oder der zu prüfenden Einheit gesprochen. Anschließend entscheidet das Team, worauf es sich in weiteren Sprints fokussieren wird.
Agilität bedeutet kontinuierliche Verbesserung oder kontinuierliches Lernen. Wir haben mit unseren Meeting-Ritualen Lernzyklen aufgesetzt, die dem Deming Cycle (Plan–Do–Check–Act) folgen.Doch man verzichtet oft (nicht nur in den Audit-Abteilungen) auf den letzten Teil des Lernzyklus: Check und Act. Bitte nehmt euch Zeit für die Retrospective – diese kann kurz und fokussiert sein – und leitet konkrete Maßnahmen ab, um euer Vorgehen sowie die Zusammenarbeit zu verbessern oder etwas Neues auszuprobieren.Was agile Teams auszeichnet, ist nicht nur die Eigenverantwortlichkeit in Bezug auf die Ergebnisse, sondern auch im Hinblick auf die Arbeitsweise.
So, dieser kleine Blog-Artikel hat euch entweder Lust auf mehr gemacht oder euch dazu gebracht, sofort aufzugeben (oh no, just kidding). So oder so hat er jedoch vermutlich einige Fragen aufgeworfen. Zum Beispiel: Wie sieht ein Audit Backlog aus? Wie genau werden die Meetings gelebt? Wie passt unser Prüfprozess und dessen Abbildung mit unseren agilen Tools zusammen?Für jetzt kann ich nur sagen: Immer mehr Audit-Abteilungen probieren Agilität aus und wollen nicht mehr zurück. Die ersten Versuche und Piloten zeigen, dass vor allem die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter es für eine wertvolle und effiziente Art der Zusammenarbeit halten. Probiert es aus!