Dieser Blogbeitrag begleitet den gleichnamigen Vortrag von Stefan Willuda und mir auf der Agile Bodensee 2016. Teil 1 finden Sie hier.Als Gesellschafter haben Sie Interesse daran, den Wert eines Unternehmens nachhaltig zu steigern. Agile Produktentwicklung wird mittlerweile als ein Faktor der Wertsteigerung betrachtet. Das nimmt Sie als Gesellschafter allerdings auch in die Pflicht: Sie können dazu beitragen, den Wert Ihres Unternehmens mit 7 Schritten nachhaltig zu steigern. Diese 7 Schritte bauen aufeinander auf. Sie sind wie ein Turm, lassen Sie einzelne Elemente aus, ist der Erfolg nicht mehr sichergestellt. Die 7 Schritte zur Steigerung des Unternehmenswertes umfassen die Werte, die Finanzen, die Organisation, die Methode und die Skills, die Produktentwicklung, die Architektur und die Infrastruktur. Im zweiten Teil betrachten wir nun die Schritte 5 bis 7.
Um Produkte erfolgreich entwickeln zu können, sind grundsätzliche Änderungen im Mindset notwendig.Produktorganisation statt Projektorganisation – Projekte haben ein Start- und ein Enddatum. Ein Produkt jedoch ist bis zu seinem endgültigen Lebenszyklusende nie fertig, sondern wird in Iterationen weiterentwickelt. Gleichzeitig erlaubt der Produktgedanke eine Nutzerzentrierung und lässt die Prozessorientierung in den Hintergrund rücken. Es ist in Ihrem Interesse, diese Organisationsveränderung durch das Top-Management herstellen zu lassen. Auf der Basis Ihrer konkreten, unverrückbaren Rahmenbedingungen kann das Topmanagement dann in Schritten die Transformation der Organisation vollziehen.Agile Portfolioplanung – Immer wieder werden Priorisierungskonflikte unterschiedlicher Stakeholder innerhalb der Entwicklungsteams ausgetragen, da die Stakeholder vor dem Beginn der Produktentwicklung keinen Konsens über die relative Wichtigkeit ihrer Anforderungen herstellen konnten. Agile Portfolioplanung bringt alle beteiligten Parteien an einen Tisch und ermöglicht es, Prioritäten vor dem Hintergrund der Organisationsstrategie regelmäßig herauszufordern, zu bestätigen oder anzupassen. Sie sollten ein Interesse daran haben, jederzeit von Ihrem Topmanagement die gemeinsamen strategischen Initiativen vorgestellt zu bekommen, um die Produktentwicklung hochfokussiert und damit schnell vollziehen zu können.Minimum Viable Product (z.B. Eric Ries) – Je früher ein Produkt bereits in seiner Minimalkonfiguration vom Nutzer getestet und dessen Feedback eingeholt werden kann, desto größer ist die Chance, dass ein für den Anwender wertvolles, da nutzenbringendes Produkt entwickelt wird. In vielen Organisationen fehlt es an Mut, den Anwender mit einem „unfertigen“ Produkt zu konfrontieren. Dabei ist dies in Zeiten der hohen Unsicherheit in Bezug auf die Kundenbedürfnisse die einzige Chance, früh zu überprüfen, ob das Richtige entwickelt wird. Aufbauend auf dem 2. der 7 Schritte, den Finanzen, ist das frühe Nutzerfeedback ein zentrales Element der Risikominimierung und damit aus der Perspektive der Wertsteigerung der Organisation unerlässlich. Sie sollten von Ihrem Topmanagement frühes und kontinuierliches Nutzerfeedback einfordern.[caption id="attachment_23873" align="aligncenter" width="666"]
Der Gedanke hinter dem Minimum Viable Product (MVP)[/caption]Cross-funktionale Teams – Selbstorganisation und End-to-End-Verantwortung in den Teams gelingt nur dann, wenn die Teams in hohem Maße autark agieren, liefern und das Produkt betreuen können. Es gilt das Motto: You build it, you ship it, you run it! Dies bedeutet explizit, dass jeder Mitarbeiter je einem Team zu 100% seiner Arbeitszeit zugeordnet ist. Teams, die auf diese Art und Weise Produktverantwortung übernehmen können, zeigen in der Praxis ein außerordentlich hohes Qualitätsbewusstsein und stellen den Nutzer stärker in das Zentrum ihrer Anstrengungen. Um den Wert Ihrer Organisation zu steigern, sind diese beiden Aspekte essentiell. Natürlich ergeben sich daraus auch völlig neue Teamkonstellationen. Ein reines Entwicklungsteam kann dem obenstehenden Motto nicht entsprechen. Sie sollten den Auftrag an Ihr Topmanagement aussprechen, dieses Motto nach und nach in allen Teilen der Organisation umzusetzen. Die Konflikte, die dadurch zwangsläufig auch im Topmanagement entstehen (z.B. durch das Aufbrechen funktionaler Silos) können mit Ihrem Verweis auf das Ziel der Wertsteigerung aufgelöst werden.
Das bereits erwähnte Conway’s Law hat in erheblichem Maße Einfluss auf die Architektur der Produkte. Damit ist jede Form von Architektur gemeint – sowohl in der Software als auch in der Hardware. Wenn Sie in den Schritten 4 und 5 die Grundlagen für weitgehend autonom agierende, cross-funktionale Teams gelegt haben, so wird sich die Architektur als eine Bruchstelle Ihrer Bemühungen herausbilden. Teams, die ein Produkt, ein Teilprodukt oder eine technische Komponente nicht eigenständig entwickeln und ausliefern können, sind nicht in der Lage, die angestrebte Verantwortung zu übernehmen. Auch wird der Durchsatz der Teams durch Integrationsschritte limitiert. Die Bemühungen des 5. Schrittes, der Produktentwicklung, werden konterkariert. Sie können das Bewusstsein für diese Herausforderung in der Gestaltung der Produktarchitektur in die Organisation tragen und das Topmanagement auffordern, die Implikationen daraus in der strategischen Produktentwicklung zu beachten. Stichworte sind hierbei (Micro-)Service-Architekturen oder Plattformkonzepte. Der Grundgedanke dabei ist stets, dass die Kommunikationsbeziehungen in der Produktentwicklung mit der faktischen Produktgestaltung in Einklang gebracht werden.
Automatisierung, Automatisierung, Automatisierung – An dieser Stelle schließt sich der Kreis zur Theory of Constraints: Manuelle Arbeit ist in nahezu jedem Wertschöpfungsprozess der Taktgeber und limitierende Faktor für die Entwicklungsgeschwindigkeit. Ihre Entwicklungs- und Produktionsumgebungen sollten in einem Maße automatisierbar sein, dass die Teams nicht mehr von wiederkehrenden manuellen Tätigkeiten, z.B. von manuellen Deployments oder Testläufen gebremst werden. Infrastruktur, die bisher physisch war, sollte zunehmend selbst als Software betrieben und automatisch bereitgestellt werden (Stichworte: Infrastructure as Code und Infrastructure as a Service). Auch interne Infrastrukturdienstleistungen – z.B. Rechnungsstellung, Onboarding neuer Mitarbeiter oder die Möbelbeschaffung – sollten, soweit sinnvoll, automatisiert werden.Dieser letzte Transformationsschritt ist nicht trivial, baut auf den im 4. Schritt entwickelten Fähigkeiten und Methoden auf und stellt aus Ihrer Perspektive erneut ein Investment dar. Dieser 7. Schritt schließt konsequent den Kreis zu einem im 1. Schritt erwähnten Prinzip: Verschwendung vermeiden. Jede Minute, die ein qualifizierter Mitarbeiter mit vermeidbarer, manueller Arbeit beschäftigt ist, ist Verschwendung. Zeit, in der wertgenerierende Arbeit geleistet oder einfach einmal entspannt werden kann.
Im Ergebnis zahlen alle 7 Schritte auf ein Ziel ein: den Wert des Unternehmens langfristig zu steigern. Wir empfehlen Ihnen, sich allen 7 Schritten mit gebührender Aufmerksamkeit zu widmen, denn nur dann wird Ihr Unternehmen sein volles Potential entfalten. Diese 7 Schritte sind wie ein Produkt: Sie sind nie fertig. Alle 7 Schritte sollten kontinuierlich auf noch nicht gehobenes Potenzial überprüft werden.