Neulich standen zwei übertrieben freundliche und korrekt gekleidete Menschen vor meiner Tür. Auf meine Frage, ob sie jemanden suchten, kam die Antwort: „Wir suchen Sie!“Ich mag es nicht, wenn Menschen mit dem einen Ziel das Gespräch suchen, den anderen restlos für seine eigenen Überzeugungen zu gewinnen. Zugleich finde ich es bemerkenswert, dass diese zwei Missionare einen herrlichen Samstag Nachmittag für das Putzen von Türklinken opferten und darin ganz offenbar einen Sinn sahen. Die Straßen und Parks waren an jenem Nachmittag voll mit fröhlich-unbefangenen Menschen, die mit einem Spaziergang oder einer Radtour ihrem Leben nachgingen.
Als Berater sind wir immer wieder versucht, unseren Erfolg an der Nachmacherquote zu messen. Macht der Kunde es genau so, wie wir ihm das gesagt haben? Abweichungen werden dann oftmals von uns als Rückfall in alte Verhaltensmuster interpretiert. Der Kunde sieht das meist ganz anders: Er versucht, Scrum an seine Realität anzupassen und dabei seinen eigenen Weg zu gehen. Er glaubt nicht, dass die Erfolgsstories von anderen bei ihm funktionieren können und geht dann im Zweifelsfall lieber einen Kompromiss zuviel ein.Beide Positionen sind problematisch. Der missionarische Berater überhebt sich in seiner Rolle. Indem er das Verhalten seines Kunden bis in letzte Detail festnageln will, nimmt er ihm das letzte Stück Freiheit. Der skeptische Kunde hat indes ein anderes Problem: Er will nicht so recht an das glauben, was sein Berater ihm erzählt. Er lässt sich auf Veränderungen nur so weit ein, wie diese seinen gewohnten Standpunkt nicht zu sehr in Frage stellen. Damit versperrt er sich den Weg zu der Veränderung, die er mit Scrum erreichen kann.Es gibt keinen dümmeren Satz als jenen, der besagt, alles sei relativ. Natürlich sind wir in unseren Überzeugungen und Verhaltensweisen von unserer Subjektivität geprägt. Das, was ich glaube, ist meinen Erfahrungen und meinem Charakter geschuldet.Das muss aber noch längst nicht bedeuten, dass unsere Glaubenssätze und Überzeugungen nur für uns Gültigkeit haben. Jeder von uns hat Erfahrungen gemacht, in denen er über seinen eigenen Schatten gesprungen ist. Situationen, in denen Menschen Schlechtes tun und wir aufrichtig darüber empört sind. Eigene Handlungen, die wir zutiefst bereuen. Menschen, die wir lieben. In solchen Situationen glauben wir nicht zaghaft, sondern zeigen Haltung. Wir tun das, was wir tun, in der Überzeugung ihrer intersubjektiven Richtigkeit.Einen starken Glauben: Das wünsche ich allen, die sich und ihre Welt verändern wollen. Sich auf etwas Neues einlassen kostet Kraft und ist alles andere als selbstverständlich. Wer da erstmal alle Zweifel und Einwände ausräumen will, der wird kaum über seine eigenen Grenzen hinauskommen. Deshalb ist es manchmal gut, einfach glauben zu können, ohne alles wissen zu müssen.Wie geht es dir heute und jetzt? Machst du einen Veränderungsprozess durch, der viele Fragen aufwirft? Hast du den Prozess vielleicht sogar selber angestoßen? Wie gehst du mit Zweifel um? Mit der Skepsis, die jedem einmal entgegen schlägt? Unser Coach, Dieter Rösner, hat mir einen wunderbaren Trick beigebracht: Wenn jemand etwas in Frage stellt, ohne sich darauf eingelassen zu haben, dann bitte ihn oder sie, es einfach mal auszuprobieren, und dir danach zu sagen, ob es Sinn gemacht hat oder nicht. Allein schon die Erfahrung - es ausprobiert zu haben - führt dazu, dass die Kritik konstruktiv wird.Und ja: Es gibt einen Unterschied zwischen festem Glauben und blindem Glauben. Der blinde Gläubige folgt anderen und will sich dabei selber aufgeben. Der standhaft Gläubige folgt anderen, um mehr über sich und seine Welt zu lernen. Während der eine in immer größere Abhängigkeit gerät, kann der andere eines Tages den Hut packen und eigenständig weitermachen.[quote author = "Ludwig Wittgenstein"]Denn um dem Denken eine Grenze zu ziehen, müssten wir beide Seiten dieser Grenze denken können (wir müssten also denken können, was sich nicht denken lässt).[/quote]