Trotz Alerts, Twitter & Co habe ich ab und zu das Bedürfnis, die Google-Search-Engine zum Thema "Verträge für agile Projekte" oder "Agiler Festpreis", auch "Agile Contracts" genannt, zu durchstöbern. Dabei stolpere ich immer wieder über die üblichen Verdächtigen, beziehungsweise über die gleichen Seiten, die seit Jahren als Mahnmale in den Weiten des Netzes stehen und ihren Ruf in die Ferne klingen lassen: "Ist eh klar!" Gemeint sind Webseiten & Blogs, die Möglichkeiten zeigen, wie man einen Vertrag gestalten kann, um mehr Vorteile des agilen Vorgehens zu nutzen oder das Risiko zwischen Kunden und Lieferanten zu teilen. So rügen Blog-Posts wie einer von Alistair Cockburn aus dem Jahr 2006 den immer noch nicht Bekehrten mit einer Liste von 15 Möglichkeiten, wie er seinen agilen Vertrag konstruieren kann. Wobei die meisten Varianten in knappen 4 bis 8 Zeilen beschrieben sind. Ist das Thema nun so einfach oder in Wirklichkeit sehr komplex? In meinen Gesprächen zu diesem Thema drängt sich mir aber immer mehr der Verdacht auf, dass es nicht um die Komplexität des Themas geht, sondern eher um Erfahrungswerte sowie das Unverständnis, wie dieses neue Konzept in der bestehenden Kultur des eigenen Unternehmens angewendet werden könnte.Zumindest nach dem Durchlesen des Buchs "Der Agile Festpreis" haben viele die Grundzüge des Themas verstanden. Die meisten attestieren auch, dass dies ein wichtiger nächster Schritt für eine agile Organisation ist. Was meist fehlt, ist der Glaube, dass dies auch wirklich so möglich ist. In der Praxis zeigt sich das sehr oft dadurch, dass der Fokus der meisten Diskussionen auf der Glaubwürdigkeit und Anwendbarkeit liegt. Welche Unternehmen haben das schon gemacht? Wie würden sie das genau in unserer Situation anwenden? Wir arbeiten mit internen Dienstleistern, da ist das sowieso etwas anders, oder? Komplex ist der Agile Festpreis eigentlich nicht. Schwierig ist oft die konkrete Anwendung des neuen Konzepts in einer bestehenden Unternehmenskultur und das Sammeln der Details und der Erfahrung, die für die Einführung dieses neuen Prozesses notwendig ist.Das mit der Kultur ist eben so eine Sache. Man kann nicht einfach mit einem neuen Begriff um sich werfen, einen schönen Plan für eine Reorganisation entwerfen und dann den Kultur-Schalter umlegen. Nein, es muss vorgelebt werden und wenn der damit errichtete Leuchtturm das Licht gut verteilt, folgen immer mehr Schiffe dem Beispiel. Das ist ja auch wesentlicher Bestandteil des agilen Vorgehens: Wenn man vor einer komplexen oder unübersichtlich großen Aufgabe steht und nicht sicher ist, wie man es angehen soll, startet man am besten mal und kontrolliert den Fortschritt.So auch der Appell an all jene, die immer noch mit Freelancer-Time&Material-Heerscharen kämpfen, oder im Hoffnungsmodell des Festpreisvertrags ihre Nerven und ihr Geld verschwenden, einfach mal zu beginnen und sich nicht von einem "eh klar" abschrecken zu lassen. Das Konzept ist klar, aber die Umsetzung und das Ausrollen ist in jedem Unternehmen eine eigene Herausforderung. Die agile Organisation beginnt und endet an ihren Schnittstellen nach außen. Das heißt: Jedes Unternehmen, das sich agiler aufstellen will, muss sich über kurz oder lang auch mit den Lieferantenbeziehungen beschäftigen. Wenn man das richtig hinkriegt, kann man einige der Vorteile agiler Methoden erst richtig nutzen. Einkaufs- und Vertragsprozesse anzupassen und die damit verbundene Kultur einer Partnerschaftlichkeit zu leben, ist ein wesentlicher Aspekt des Erfolgs. Viele Unternehmen haben in den letzten Jahren - auch mit unserer Hilfe - den Schritt gewagt. Es gibt also mittlerweile genügend Erfahrung, auf der andere Unternehmen nun mit Bedacht aufbauen können.