Scrum bringt Veränderung. Das steht fest. Um Veränderung allerdings wirksam zu machen, muss man sich als ScrumMaster der Herausforderung stellen, wie man Menschen dazu bringen kann, sich zukünftig anders als bisher zu verhalten.Dabei wird ein solches Unterfangen nicht leichter, wenn man bedenkt, dass es sich fast immer um die Änderung von Verhaltenskonzepten dreht, die automatisiert sind: Sie haben sich in der Vergangenheit bewährt, waren bis zu diesem Zeitpunkt - zumindest subjektiv für den Betroffenen - erfolgreich und sind damit im Handlungskonzept fest verankert. Man muss also mit Widerstand rechnen, weil Widerstand eine normale menschliche Reaktion auf Veränderungen ist. Dabei ist zweitrangig, ob die Mitarbeiter Widerstand gegen die Veränderung an sich leisten oder gegen die Art und Weise, wie der Veränderungsprozess gestaltet wird.Wie kann es also einem ScrumMaster gelingen, dass die Menschen, auf die er in der Erfüllung seiner Verantwortung (z.B. in seinem Team, in der Organisation) Einfluss nehmen möchte, Veränderungen akzeptieren, diese für sinnvoll erachten und ihr Handeln danach (neu) ausrichten? Vielleicht ist die nachfolgende Antwort auf diese Frage nicht allgemein gültig oder auf jedes Veränderungsszenario übertragbar. Sie ist aber zumindest ein mögliches Lösungskonzept und somit eine versuchsreife Option, eine Probierpackung ohne doppelten Boden. Ich möchte sie euch gerne unter Anführung einer in den Staaten durchgeführten Studie nahe bringen.
Vor ein paar Jahren kam der Actionfilm Zahltag mit Mel Gibson in die amerikanischen Kinos. In einem Vorstadtkino in Chicago spendierte man den Besuchern dieser Vorstellung ein alkoholfreies Getränk ihrer Wahl und einen Eimer Popcorn, wenn sie als Gegenleistung nach dem Film Fragen zur Qualität des Süßwarenstands beantworteten. Die Sache hatte allerdings einen (bewusst gewählten) Haken: Das Gratis-Popcorn war bereits vor fünf Tage gemacht worden und schmeckte entsprechend. Ein Zuschauer verglich das Popcorn mit Styropor, zwei andere hatten sogar vergessen, dass das Knabberzeug gratis war und wollten ihr Geld zurück. Und trotzdem aßen die meisten während des Films, "schoben die Packung weg, nahmen sie einige Minuten später erneut in die Hand, um sich Nachschub zu holen, stellten sie noch einmal weg, griffen nach einer Weile wieder hinein und so weiter und so fort." (Wansink, 2008, S. 22) Noch wichtig zu erwähnen ist, dass die Kinofans nicht wussten, dass sie Teil einer Studie über irrationales Essverhalten waren. Eine Hälfte der 158 Probanden erhielt das Popcorn in einem mittelgroßen Eimer, die andere bekam einen richtig großen Eimer. Die Frage, die die Studie zu beantworten suchte, lautete:
Die Studie sah vor, die Popcorneimer vor und nach dem Film zu wiegen, um auf diesem Wege eine valide Aussage darüber treffen zu können, wie viel Popcorn jede Person gegessen hatte. (Anmerkung: Bevor du weiterliest, schreib bitte auf einen Zettel auf, was deines Erachtens das Ergebnis dieser Studie war und finde Argumente für deine Entscheidung).
Das Ergebnis war tatsächlich erstaunlich und wirft ein vollkommen anderes Licht auf die Bewertung von Problemursachen und damit auf die Optionen, wo man nach Lösungen suchen sollte:"Die Probanden mit den größeren Eimern aßen 53 Prozent mehr Popcorn, als die mit den mittelgroßen Eimern. Sie nahmen folglich 173 Kalorien mehr zu sich und griffen rund 21-mal öfter in den Eimer" (Heath & Heath, 2010, S. 10).Decken sich deine Ergebnisse mit den Ergebnissen der Studie? Angenommen, ich hätte euch zwar die Ergebnisse der Studie gezeigt, also wie viel die einzelnen Personen gegessen haben, hätte die Größen der Eimer und die damit einhergehende Wirkung auf das Essverhalten aber unerwähnt gelassen. Ihr könntet aus der Studie so lediglich ableiten, dass es einige Menschen gibt, die weniger Popcorn konsumiert haben, andere, die mehr gegessen und wiederum andere, die ziemlich viel Popcorn zu sich genommen haben. Darüber hinaus hättet ihr voreilig den Schluss gezogen, dass die letztgenannten echte Popcorn-Vielfraße sind. Hätte ich euch nun um die Sammlung von Ideen gebeten, wie man das Essverhalten (vor allem) der Vielfraße ändern kann, hättet ihr euch in der Lösungssuche wahrscheinlich auf Veränderungswege konzentriert, die der Frage auf den Grund gehen, welche Gesundheitsrisiken es mit sich bringt, so viel Popcorn zu essen.Mit dem Wissen der unterschiedlichen Eimergrößen klingt die Lösung für das zu verändernde Problem „Essverhalten“ fast schon zu einfach: Nimm kleinere Eimer! In puncto Veränderungschance ist diese Lösung für mich die eigentliche Erkenntnis der Studie: „Was wie ein Problem aussieht, das den oder die Menschen betrifft, ist oft ein Situationsproblem“ (Heath & Heath, 2010, S. 27).Und jetzt liegt es an euch, liebe ScrumMaster: Was sind die kleineren Eimer in eurem Scrum-Team? Erzählt mir davon.LiteraturHeath, C. & Heath, D. (2010). Switch. Veränderungen wagen und dadurch gewinnen. FischerWansink, B. (2008). Essen ohne Sinn und Verstand. Wie die Lebensmittelindustrie uns manipuliert.