Ich fange mal mit dem Ende an. In den ersten 9 Kapiteln des Buches von André und mir beschreiben wir den Idealzustand. Wie es sein sollte, wenn man bei der Einführung von Scrum auch an die Auswirkungen auf das Personalmanagement denkt. Im 10. Kapitel lamentiere ich dann allerdings ein wenig über die Realität. Über die Organisationen, die Fragen des Personalmanagements in diesem Veränderungsprozess völlig außer Acht lassen.
Dazu eine Begriffsklärung vorweg: Personalmanagement ist für uns nicht die Aneinanderreihung administrativer Akte vom Bewerbungsgespräch bis zur Trennung von einem Mitarbeiter. Für uns ist Personalmanagement die Auseinandersetzung mit einem Menschen auf seinem Weg, den er mit einem Unternehmen gemeinsam geht. Es ist eine Führungsfrage und eine Führungsaufgabe, die sich auf sämtliche Personen verteilt, die Personalverantwortung haben.
Die Personalabteilung hat in diesem Zusammenhang die Funktion des Know-how-Trägers, der andere im Unternehmen in ihrer Personalverantwortung coacht und ihnen die passenden Instrumente für ihre Verantwortung zur Verfügung stellt.
So, nun kommen bei der Einführung von Scrum in einer Organisation drei Dinge zusammen:
Aus meiner Zusammenarbeit mit André weiß ich, dass die Personaler auf Identitätssuche sind. Sie waren seit jeher die „Administratoren“, eben für Einstellungen, Lohnverrechnung und Rausschmiss verantwortlich. Nun haben die letzten Jahrzehnte einige Vorzeichen umgedreht, die richtigen Mitarbeiter sind zum wichtigsten „Kapital“ von Unternehmen geworden (Stichwort: War for Talents). Gerade auch, weil die Wirtschaft hochgradig von wissensbasierten Branchen wie der IT abhängt. Die Personaler wollen - oder sollen sich nach Dave Ulrich - stärker als „Business Partner“ sehen, die bei strategischen Entscheidungen in einem Unternehmen gleichberechtigt die Personalsicht einbringen. Das setzt aber voraus, dass die Personaler das Business tatsächlich verstehen. Sie müssen z.B. wissen, was die Leute bewegt, die mit Scrum arbeiten (sollen). Und nicht zuletzt stellen die Veränderungen durch Scrum ja auch die traditionelle Ausgestaltung ureigenster Instrumente der Personaler in Frage: das Recruiting, das Talent Management, das Performance Management, Compensation & Benefits ...
Aber was wir oft beobachten, ist leider das:
„Wenn wir Scrum in einem Unternehmen einführen, laden wir immer die gesamte Organisation zu einem Überblickstraining ein. Damit jeder weiß, worum es grundsätzlich geht. Neuerdings schaffen wir es auch, die Manager direkt zu adressieren und zu sagen: „Bitte bringt auch die Personalabteilung mit.“ (...) In diesem Überblickstraining sitzen die Leute, die später direkt mit Scrum arbeiten. Die haben eine Menge Fragen zum Arbeitsalltag. Genau da schalten die Personaler dann oft ab, weil sie denken, dass es sie nicht betrifft. Die Chance, ihre Leute besser zu verstehen, nehmen sie oft nicht wahr.“
Ich weiß, es ist erst Juni und bis Weihnachten ist noch Zeit. Aber ich deponiere trotzdem schon einmal meinen Consultant-Wunschzettel am Scrum Board: Ich wünsche mir, dass sich die HR-Manager in den Personalabteilungen eingehender mit den Konsequenzen von Scrum beschäftigen. Reklamiert euch in Implementierungen rein, helft ScrumMastern, Product Ownern, Teammitgliedern und Managern mit eurem Know-how! Ihr könnt den Menschen im Umgang mit neuen Rollen helfen, ihr könnt Führungs-Coaching betreiben, ihr könnt völlig neue Modelle des Talent Managements entwickeln und und und. Es geht dabei um nicht weniger als um die Wettbewerbsfähigkeit eurer Unternehmen, die ihr mittragen müsst. Und somit geht es auch um nicht weniger als eure Legitimation als echte Businesspartner.