Wenn ich von meiner Arbeit als Scrum-Consultant erzähle, ernte ich eine Mischung aus Anerkennung und Mitleid. Ein Freund nannte neulich die Herausforderungen meines Jobs eine spannende Zumutung - wobei die Betonung auf dem letzteren Wort lag.Keine Frage: Die Arbeit eines Consultants ist hartes Brot. Lange Arbeitszeiten, viele Reisen und ständige Bewährungsproben beim Kunden gehören zum stinknormalen Alltag. Bewerber finden den Job spannend und faszinierend, aber die meisten gehen dann doch einen anderen Weg.Zum Ende des Jahres stelle ich mir die Frage, was dieser Job für mich bedeutet. Vor nicht allzu vielen Jahren war ich in einer komplett anderen Lebenssituation: Als Doktorand der Philosophie verbrachte ich den größten Teil des Tages mit Lesen und Schreiben, konnte meine (Frei-)Zeit nach Belieben einteilen, und durfte alle paar Monate auf Konferenzen fahren. Philosophen laufen immer in Turnschuhen und T-Shirts herum - auch hier ein grundsätzlicher Unterschied zum Beraterjob.Mein Weg zu bor!sgloger ist durch Zufälle geprägt. Mein Freund Matthias ist Informatiker und erzählte mir schon damals von seiner Faszination für Scrum. Mein Chef Boris suchte explizit nach Geistewissenschaftlern und will, dass seine Mitarbeiter an ihren Misserfolgen wachsen. Ich selber habe während des Studiums gemerkt, wie gerne ich vor Gruppen stehe und erzähle.Es gab damals aber auch tausend andere Gründe, warum ich nicht Berater hätte werden sollen: Mein kleiner Sohn und meine Frau. Mein Unbehagen beim Fliegen. Meine damals geringe Erfahrung in der Beratung. Meine Familie in Südamerika, die ich jetzt noch seltener zu Gesicht bekomme.
Warum? Weil ich es ausprobieren wollte. Weil ich wissen wollte, ob ich das kann. Es ist für mich also eine Art Experiment gewesen.Und was habe ich dabei gelernt? Dass es keinen Sinn macht, sich Gedanken zu machen: Bin ich überhaupt der Richtige für den Job? Was wird aus meiner Work-Life-Balance? Werde ich nicht völlig überfordert sein? All diese Fragen sind berechtigt, und genau deshalb macht es keinen Sinn, sich mit ihnen herumzuschlagen. Denn jede große Entscheidung beinhaltet so viele Unabwägbarkeiten, dass es nur eine Möglichkeit gibt, sie zu überprüfen: Indem man sie trifft.Nach zwei Jahren im Job bereue ich meine Entscheidung nicht im Geringsten. Ja, das Tempo schlaucht. Ja, die Entfernung von meiner Familie tut weh, und manchmal bin ich am Ende des Tages einfach nur fertig.Umso mehr muss ich mich fragen, wozu ich das Ganze mache. Ich kann mir nicht erlauben, mit dem Job unzufrieden zu sein, denn dann könnte ich die Energie für diesen Wahnsinnsjob schlicht nicht aufbringen. Ich habe in dieser Zeit mit meinen Kollegen und beim Kunden so viel gesehen, so viel erlebt, und vor allem so viele Veränderungen mitgemacht. Daraus ziehe ich meine Motivation: Ein ScrumMaster, der endlich anfängt, loszulaufen. Ein Kunde, der Scrum als langfristigen Change begreift und beginnt, in Jahren zu denken. Kollegen, mit denen ich abends eine Stunde am Telefon hänge - und am nächsten Morgen anders in den Tag gehen kann.Vielleicht kommt eines Tages der Moment, in dem ich merke: Jetzt ist gut. Und auch dann will ich mir nicht tausend Fragen stellen, sondern einfach entscheiden. Es gibt eben nicht den einen Weg. Und schon gar nicht gibt es den einen richtigen Weg. Entscheidungen, gerade komplexe Entscheidungen, sind nie vollkommen richtig oder vollkommen falsch. Sie müssen sich gut anfühlen.Es gibt genügend Situationen, in denen wir abwägen müssen, bevor wir etwas entscheiden. Zum Beispiel: Was verschenke ich zu Weihnachten und was wünsche ich mir? Umso wichtiger ist es, nicht allzu viel Zeit für die großen Entscheidungen des Lebens zu verschwenden: Just do it. Sonst werden wir Sklaven unserer selbst gesteckten Erwartungen und wundern uns hinterher, warum das Leben ganz anders verläuft.Lust auf einenWahnsinnsjob?