Probleme sind ständige Wegbegleiter in unserem Alltag. Haben wir ein Problem (Griechisch: das, was zur Lösung vorgelegt wurde), begeben wir uns schnellstmöglich auf Lösungssuche, um den unbefriedigenden Zustand eines Defizits zu überwinden und wieder in eine Art Gleichgewicht (Homöostase) zu gelangen. Die Bücherlisten sind voll mit Bedienhilfen, die raus aus einem Problem und hin zur Lösung führen sollen - und das ist auch gut so. Dennoch oder gerade deswegen kommt der Blick auf das Problem als solches zu kurz. Natürlich soll man sich nicht zu lange mit einem Problem aufhalten, darin verweilen, sich selbst leid tun und in Problemtrance verfallen. Nichtsdestotrotz ist es gerade aus systemischer Sicht wichtig, den Blick auf das Problem zu schärfen und es von allen Seiten zu betrachten. Ja, ihr habt richtig gelesen. Ein Problem hat nicht nur eine Seite. Wer sein Problem umfassend kennengelernt hat und weiß, was es auszeichnet, der wird sich leichter damit tun, Lösungswege zu ergründen. Ähnlich einer Fussballmannschaft, in der es unterschiedliche Spieler und Positionen gibt, die ihre jeweilige Verantwortung haben und auf diese Weise zu einem Ganzen beitragen, so hat auch ein Problem eine Anatomie und somit Elemente, die ihren Anteil am Problem haben. Elemente, die es zu dem machen, was es ist: ein Teil der Lösung.
Jedes Problem hat sechs Elemente: das Ist, das Ziel, das Hindernis, die (ungenutzte) Ressource, den Sekundärgewinn und die Aufgabe dahinter.
Wie kann ich nun mein Problem in seine sechs Bestandsteile sezieren, um seine Anatomie zu erkennen?Der folgende Fragenkatalog kann ein solches Skalpell sein, um den Blick auf das Ganze zu bekommen (kursiv jeweils ein Beispiel dazu).Fragen zum Ist-ZustandSag dein Problem in einem SatzIst: Ich gebe ungern Feedback.Fragen zum ZielWie lautet dein Ziel? Was soll besser sein? Woran würdest du merken, dass du dein Ziel erreicht hast? Was wäre dann anders?Ziel: Ich möchte meinen Kollegen öfter Rückmeldungen zu ihrem Tun geben.Fragen zum HindernisWas hindert dich daran, das Ziel zu erreichen? Was steht dir im Weg?Hindernis 1: Ich habe Angst vor ihrer Reaktion.Hindernis 2: Ich bin schüchtern.Hindernis 3: Ich habe in meinem letzten Job schlechte Erfahrungen gemacht.Fragen zu den (ungenutzen) RessourcenWas hast du bisher ausprobiert? In welchen Situationen war das Problem nicht so groß und was war da anders? Was hast du bisher noch nicht ausprobiert?Ressource 1: Ich bin kommunikativ.Ressource 2: Ich bin ehrlich und glaubhaft.Fragen zum SekundärgewinnWarum hast du es bisher noch nicht gemacht? Was ist gut an deinem Problem? Warum solltest du das Problem unbedingt behalten?Sekundärgewinn: Es läuft auch so. Ich mus nicht alles wissen. Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß.Fragen zur Aufgabe dahinterWelche Aufgaben lauern auf dich, wenn du das Problem gelöst hast? Wozu verpflichtest du dich, wenn das Problem nicht mehr da ist? Was kommt nach dem Problem?Aufgabe dahinter: Ich bekomme ebenfalls Feedback.Und jetzt liegt es an euch. Schnappt euch euer Impediment Backlog und nutzt die hilfreichen Fragen, um euch auf andere Art und Weise euren Problemen zu stellen."Probleme sind Herausforderungen, die Mut geben, Fehler zu machen und mit den eigenen Ansichten zu spielen, zu experimentieren. Und (...) diese Offenheit - bei allem Wissen, das gleichsam nebenbei vermittelt wird, steckt an, selber zu denken, sich selber von den Ketten der Last der Probleme zu befreien - da liegt der Hase im Pfeffer, doch sind gut zubereitete Pfefferhasen auch eine Delikatesse." (Gruntz-Stoll, 1994, S. 6).In diesem Sinne wünsche ich guten Appetit.LiteraturGruntz-Stoll, J. (1994). Probleme mit Problemen. Ein Lei(d)tfadenzur Theorie und Praxis des Problemlösens. borgmann