Ein Zweck der Retrospektive ist das Erarbeiten von Maßnahmen, um Teams produktiver zu machen. Wer aber die Retro allein auf Maßnahmenfindung begrenzt, der greift methodisch zu kurz. Eine gute Retrospektive schafft den Raum, um ein Team in sich gehen zu lassen und über die eigene Zusammenarbeit nachzudenken. Deshalb macht es Sinn, in regelmäßigen Abständen „Team-Retros“ durchzuführen, in denen nicht Maßnahmen, sondern die Selbstreflektion im Vordergrund stehen. Hierzu gibt es viele Übungen - heute möchte ich zwei davon vorstellen (die übrigens gut zusammenpassen): Team-RankingLege fünf DIN-A4-Seite als Skala auf dem Boden aus, beschriftet von 1 bis 5. Schreibe die Bedeutung dieser Zahlen als Erklärung an ein Flipchart: 5: Wir sind das beste Team der Welt!4: Ich bin sehr zufrieden damit, wie es bei uns läuft.3: Ich bin meistens zufrieden damit, wie es bei uns läuft.2: Ich bin hin und wieder zufrieden damit, wie es bei uns läuft. Es könnte aber viel besser sein.1: Ich bin gar nicht zufrieden damit, wie es bei uns läuft. Erkläre die Übung dem Team und bitte alle Mitglieder, sich auf der Skala zu positionieren, indem sie sich dort aufstellen, wo sie sich jeweils sehen. Die Ergebnisse können ganz unterschiedlich ausfallen: Manche Teams stehen dicht gedrängt und alle behaupten dann, zwischen 3,75 und 4,25 zu stehen. In anderen Teams gibt es zwei oder drei „Ausreißer“, die bewusst Abstand markieren wollen, weil sie etwas loswerden wollen. Mir ist ehrlichgesagt die zweite Konstellation lieber, weil dann die unterschiedlichen Perspektiven auf die Teamarbeit deutlicher werden. In jedem Fall aber gilt: Das Ergebnis akzeptieren (keine Suggestivfragen!), am Flipchart visualisieren (z.B. anhand von ausgefüllten Balken) und jedes Teammitglied bitten, eine kurze Erklärung zu seiner Stellungnahme abzugeben („ich stehe hier, weil...“). Eventuelle problematische Aussagen (z.B. negative Kommentare über Team-Mitglieder oder über den gesamt Prozess) sollten vom ScrumMaster kurz aufgegriffen und dann im späteren Teil der Retro („was wollen wir verbessern?“) unbedingt noch einmal thematisiert werden. Sonst wird das Team die Retro mit einem unguten Gefühl verlassen.
Nai-Kan
Bitte jedes Team-Mitglied, die folgenden drei Fragen für sich zu bearbeiten:
Was hat das Team für mich gemacht?
Was habe ich für das Team gemacht?
Welche Schwierigkeiten habe ich dem Team bereitet?
Wichtig: Den Zeitraum vorher klären. Wenn ein Team zum Bespiel seit vier Sprints zusammen ist, dann sollte es die Fragen für diesen Zeitraum beantworten. Er kann aber durchaus länger sein - etwa für ein gesamtes Release (dann im Rahmen einer größeren Release-Retro). Die Nai-Kan-Übung fällt nicht leicht. Für viele sind Teams nüchterne Arbeitsgemeinschaften, und dort ist es einfach nicht üblich, sich solchen Fragen zu stellen. Doch genau deshalb lohnt es sich, die Auseinandersetzung anzubieten. Die drei Fragen kreisen um Nehmen und Geben, sie sollen uns zur Reflektion über unsere Rolle in der Gruppe motivieren. Teams, die schon länger zusammen sind, können von dieser Übung ebenfalls profitieren. Weil sie eingespielt und die Rollen fest verteilt sind, neigen sie häufig dazu selbstgefällig zu werden und den kritischen Blick zu verlieren. Diese Übung, die auf Geben und Nehmen fokussiert ist, stellt jedem Mitglied die Frage nach dem Gleichgewicht innerhalb des Teamgefüges. Allerdings musst du dich als ScrumMaster bei der Übung wohlfühlen. Du musst davon überzeugt sein, und auch bei skeptischen Rückfragen dem Team erklären können, warum du diese Übung mit ihnen durchführst. Da die Fragen persönlich sind, bietet es sich an, sie zunächst im kleinen Forum vorzustellen (etwa dem Sitznachbarn), bevor sie ins Plenum gehen. Anschließend kann jeder für sich eine persönliche Maßnahme herausarbeiten, die aus der Beantwortung der Fragen 2 und 3 z.B. im Sinne des Starfishes (mehr davon; weniger; weitermachen; anfangen; aufhören) formuliert sein können. LiteraturEsther Derby, Diana Larsen: Agile Retrospectives. Making Good Teams Great. 66-69.http://de.wikipedia.org/wiki/Naikan